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Goldrichtig
Ist Goldrecycling die Zukunft?
Gold ist wertvoll: Niemand wirft es weg – oder doch? In Elektronikgeräten wie etwa Smartphones steckt Gold. Wirft man sie weg, wandert auch das Gold in den Müll.
Die Nachfrage nach Gold hat stark zugenommen. Das Edelmetall neu zu gewinnen ist nicht nur teuer, sondern belastet auch Umwelt und Gesundheit. Darum ist Recycling heute wichtiger denn je.
Neue Techniken erlauben die Rückgewinnung von Gold selbst in kleinsten Mengen aus ausgedienten Geräten. Und in den Haushalten liegt viel Altgold ungenutzt herum – auch das könnte man wiederverwenden.
2 1 Himmelsscheibe von Nebra (Kopie), um 1600 v. Chr. Die Bronzescheibe aus dem heutigen Sachsen-Anhalt ist die älteste bekannte Darstellung des Sternenhimmels. Goldblech bildet Sonne, Mond und Sterne ab. Ein Schiff fährt über den Himmelsozean von Horizont zu Horizont.
3 2 Blatt aus einem Stundenbuch, 15. Jahrhundert. Muschelgold verziert die Initialen dieses Gebetsbuchs für Laien und bereichert es mit weiterem Schmuck.
4 3 Muschelgold, 20. Jahrhundert. Muschelgold ist eine wasserlösliche Goldfarbe aus Goldstaub und Gummi arabicum. Seit dem 12. Jahrhundert findet es Verwendung in der Buchmalerei. Es heisst so, weil man es in Muscheln fixierte und aufbewahrte.
5 4 Vergoldete Silberschale aus Burgdorf, 1648. Dieses Gefäss sieht nicht nur gut aus: Das Gold schützt auch vor dem unangenehmen Silbergeschmack. Sammlung Rittersaalverein
6 5 Vergoldete Zuckerdose, zweite Hälfte 19. Jahrhundert. Porzellan nannte man auch das «weisse Gold». Verziert mit gelbem Gold, zaubert es Luxus und Eleganz auf den Tisch. Sammlung Rittersaalverein
7 6 Goldrubinglas, 19. Jahrhundert. Gibt man bei der Glasherstellung etwas gelöstes Gold in die geschmolzene Glasmasse, erhält man rotes Glas. Goldrubinglas war im 17. und 18. Jahrhundert begehrt. Es sollte Kraft verleihen und heilen.
8 7 Vergoldeter Bilderrahmen, 19. Jahrhundert. Dass wir Bilder rahmen, hat seinen Ursprung in der Kirchenkunst. Im frühen 14. Jahrhundert begann man, Bilder als Altarschmuck einzufassen. Man verwendete Holz von alten Türen oder Stühlen, das man mit Blattgold überzog. Sammlung Rittersaalverein
9 8 Goldene Eheringe, 20. Jahrhundert. Einst trugen nur die Frauen einen Ehering. Erst seit dem 16. Jahrhundert drückt man Verbundenheit dadurch aus, dass beide Eheleute einen identischen Ring tragen – in der Regel am linken Ringfinger. Denn man glaubte, dieser Finger sei direkt mit dem Herzen verbunden.
10 9 Vergoldete Keramik-Kuh «Mira Moo Gold», 2002. Es begann mit einer Kunst- und Werbeaktion 1998 in Zürich: In der ganzen Stadt standen farbig bemalte Polyester-Kühe. Die Idee verbreitete sich weltweit und viele der Kühe wurden in kleiner Form reproduziert – so auch diese Kuh von Margaret Pedrotti. Das Original schmückte 2002 die «Cow Parade» in San Antonio, Texas.
11 10 Goldring mit Textilstruktur aus Münzgold, 2003. Diesen Ring hat der 2024 verstorbene Burgdorfer Goldschmied Kurt Neukomm aus eingeschmolzenen Goldvreneli gefertigt.
12 11 Schmuckstück «Binsenwahrheit», 2005. Ein Objekt des Burgdorfer Goldschmieds Kurt Neukomm. Emmekiesel vergoldet, Binsenstängel aus Silber mit kleiner Blüte aus Gelbgold.
13 Gold aus Schutt
Frühe römische Goldgewinnung
Der Hügelzug der Bessa liegt am Alpenrand im Piemont. Er entstand, als Gletscher und Flüsse des Eiszeitalters Schutt aus den Alpen ablagerten. Der Schutt enthält Gold.
Die Römer betrieben hier im 1. Jahrhundert v. Chr. Goldwaschanlagen. Versklavte Menschen trugen die Moränen ab. Die grossen Steine türmten sie zu Steinhaufen; den goldhaltigen Sand trugen sie zu den Waschanlagen. Ein Netz von Kanälen leitete Wasser zu Holzrinnen, wo der Sand gewaschen wurde.
Heidekraut in den Rinnen fing das Gold auf. Verbrannte man das Kraut, blieb das Gold in der Asche zurück.
14 Kanäle, die mit Steinen befestigt waren, führten das Wasser zu den Waschanlagen aus Holz. Foto: Werner Lüthi, 2009
15 Steinhaufen zeugen noch heute von der römischen Goldwäscherei in der Bessa im Piemont, südlich der Stadt Biella. Foto: Werner Lüthi, 2009
16 «Zerstörung der Berge»
Goldbergbau mit Wasser
Ruina montium – Zerstörung der Berge – nannten die Römer eine brachiale Methode, mit der sie seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. Gold gewannen.
Tausende versklavter Menschen gruben Stollen und bauten Kanäle und Staubecken. Wasser schoss durch die Stollen und brachte das Gestein zum Einsturz. Das durchnässte Geröll wurde in die Ebene gespült. Aus diesem Geröll wusch man das Gold.
Die «zerstörten Berge» von Las Médulas in Spanien sind seit 1997 Unesco-Weltkulturerbe.
17 Von der «Zerstörung der Berge» zu römischer Zeit zeugt heute eine Erosionslandschaft aus rotem Gestein und tiefen Abbaukanälen. Foto: Hermann Käser, 2018
18 Durch den Stollen Cueva la Encantada schoss das Wasser und «zerstörte» die Berge von Las Médulas. So gewannen die Römer Gold. Foto: Hermann Käser, 2022
19 Die Zeichnung erläutert das Ruina-Montium-Verfahren der Goldgewinnung. llustration: Hugo Prades für die Fundación Las Médulas, León
20 1 Heidekraut. Das Heidekraut hielt in Holzrinnen Schwermineralien zusammen mit dem Gold zurück.
2 Waschgold aus dem Fluss Elvo. An den Ufern des Elvo in der Region Bessa im Piemont wuschen versklavte Menschen für das römische Reich Gold.
21 3 Goldmünze mit dem Porträt von Kaiser Valentinian III. 1749 fanden Bauarbeiter diese Münze aus dem 5. Jahrhundert im Hof vom Schloss Burgdorf. Sammlung Rittersaalverein
22 Wenig Gold aus alten Minen
Goldbergbau vom Mittelalter bis heute
Nach dem Ende des Römischen Reichs hörte man in Europa auf, Gold zu gewinnen. Erst im 10. Jahrhundert begannen Bergleute erneut damit, Gold abzubauen.
Am Ende des 15. Jahrhunderts erreichten die Spanier Amerika und begannen, den Kontinent zu unterwerfen. Sie raubten der Bevölkerung von Mittel- und Südamerika riesige Mengen Goldes und brachten es nach Europa. Die Goldgewinnung in Europa wurde uninteressant.
Bis heute ist der Goldabbau in Europa wirtschaftlich unbedeutend.
23 Inkas bringen dem spanischen Eroberer Francisco Pizarro im Jahr 1533 goldene Gegenstände, um den gefangenen König Atahualpa freizukaufen. Pizarro liess Atahualpa trotzdem töten. Digitalisat: Universität Heidelberg, America (Band 6), Tafel 10
24 Gift für Gold
Quecksilber in der Goldgewinnung
Quecksilber hilft, Gold aus Gestein zu lösen, das zuvor zertrümmert und gemahlen wurde. Es verbindet sich mit dem Gold zu einem so genannten Amalgam. Erhitzt man das Amalgam, verdampft das Quecksilber.  Übrig bleibt das Gold.
Doch das giftige Quecksilber schädigt Mensch und Umwelt. Das Minamata-Abkommen der Vereinten Nationen von 2013 will die Umweltbelastung durch Quecksilber reduzieren und seinen Einsatz im Goldabbau zurückdrängen.
25 Mit Wasser betriebene Quecksilberamalgam-Mühle. Mit solchen Mühlen wurde im Piemont das Gold vom Gestein getrennt und mit Quecksilber gebunden. Foto: Werner Lüthi, 2009
26 Gold aus Flüssen
Ein armseliges Handwerk
Bis ins späte 19. Jahrhundert verdienten sich arme Menschen an der Aare oder am Oberrhein nördlich von Basel ein karges Zubrot mit dem Waschen von Gold.
Die Goldsucher spülten Kies aus dem Fluss mit viel Wasser über eine so genannte Waschbank, die mit Wollstoff belegt war. Schwermineralien und Gold blieben in der Wolle hängen. Mit Quecksilber trennte man das Gold vom Rest.
Nach der Begradigung des Oberrheins im 19. Jahrhundert lagerte sich im Flussbett weniger Gold ab als zuvor. Goldwaschen lohnte sich definitiv nicht mehr.
27 Nachgestelltes Foto des letzten Goldwäschers am Rhein bei Speyer in Rheinland-Pfalz 1911.  Digitalisat: Historisches Museum der Pfalz, Speyer
28 1 Fragment einer Steinmühle, frühes 20. Jahrhundert, Valle Anzasca, Piemont. Mit dieser Mühle mahlte man das Erz.
29 2 Erzstufe aus der Miniera de Cani, Valle Anzasca, Piemont. Die Goldmine befindet sich am Fuss des Monte Rosa, unweit der Schweizer Grenze. Das Gold ist in Pyrit eingeschlossen. Leihgabe: Naturhistorisches Museum Bern
30 3, 4 Erz und gemahlenes Golderz aus der Mine bei Macugnaga im Piemont.
Leihgabe (Erz): Naturhistorisches Museum Bern
5, 6, 7 Quecksilber, Goldamalgam und reines Gold nach dem Ausglühen des Goldamalgams.
31 8 Nachdruck aus «De re metallica libri XII» von Georg Agricola (16. Jahrhundert) mit Bergbauszenen.
9, 10 Waschgold aus dem Rhein bei Istein in Baden-Württemberg.
32 Alles Gold dieser Welt
Goldabbau in unserer Zeit
Insgesamt, so schätzt man, hat die Menschheit bis heute über 200 000 Tonnen Gold gefördert. Mit dieser Menge könnte man einen Würfel von 22 Metern Kantenlänge bilden. Jedes Jahr kommen 3000 Tonnen hinzu – hauptsächlich aus China, Australien, Russland und Kanada.
Der zunehmende Goldabbau belastet Mensch und Umwelt. Der industrielle Bergbau arbeitet mit giftigen Cyanidlaugen. Geraten die Laugen in die Umwelt, ist das katastrophal. Giftig ist auch das Quecksilber, das im – teilweise illegalen – Kleinbergbau zum Einsatz kommt.
33 Ein Mineur bringt in der Goldmine Cook-2 in Randfontein bei Johannesburg, Südafrika, eine Sprengladung an. Foto: Peter Grubenmann, 1988
34 Ein junger Mann in Gaoua im Süden von Burkina Faso  baut im Untergrund goldhaltige Erde ab. Foto: Gustav Bürke, 2017
35 Goldmine Super Pit bei Kalgoorlie in Westaustralien. Die grösste Goldmine Australiens ist mehr als 400 Meter tief. Foto: Christoph Kipfer, 2016
36 Ein Dorf wehrt sich
Roșia Montană in Rumänien heisst deutsch Goldbach. Die dortigen Goldvorkommen wecken Begehrlichkeiten: 2002 bot der kanadische Bergbaukonzern Gabriel Resources den Bewohnerinnen und Bewohnern viel Geld, wenn sie drei Dörfer zugunsten des Bergbaus räumen würden. Der Konzern wollte darüber hinaus vier Berge abtragen und ein Absetzbecken für giftigen Cyanidschlamm anlegen.
Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner wollten das Angebot annehmen, eine Minderheit leistete Widerstand. Sie organisierten mit der Unterstützung von Stephanie Roth, einer schweizerisch-französischen Umweltaktivistin, landesweiten Protest, der internationale Unterstützung fand.
Der Protest war erfolgreich: Das rumänische Parlament versagte einem Gesetz, das den Abbau ermöglicht hätte, seine Zustimmung. Das Projekt ist damit vorerst vom Tisch.
37 Blick auf das Dorf Roșia Montană. Der Bergbaukonzern Gabriel Resources wollte die Hügel rechts und links des Dorfes abtragen. Foto: Stephanie Roth, 2024
38 Umweltaktivistin Stephanie Roth vor dem Dorfladen von Roșia Montană. Die Fotografien im Hintergrund zeigen den Ort um die Mitte des 20. Jahrhunderts. Foto: Stephanie Roth, 2024
39 1 Erz mit Gold und Quarz von Alleghany, Kalifornien. In dieser Gegend kam es 1848 zum berüchtigten Goldrausch. Leihgabe: Naturhistorisches Museum Bern
2 Gold aus der Crow Creek Gold Mine in Alaska. Seit 1896 wird hier Bergbau mit Wasserdruck betrieben. Leihgabe: Naturhistorisches Museum Bern
40 3 Nugget aus den Goldfeldern von Coolgardie, Australien. 1892 wurden Goldsucher in Coolgardie fündig und lösten damit den bedeutendsten Goldrausch Westaustraliens aus. Leihgabe: Naturhistorisches Museum Bern
41 4 Goldhaltiges Gestein mit Quarz aus Witwatersrand, Provinz Gauteng, Südafrika. Es handelt sich dabei um drei Milliarden Jahre alte Flussablagerungen. Leihgabe: Naturhistorisches Museum Bern
5 Waschgold aus der Demokratischen Republik Kongo. Die Bürgerkriegsparteien finanzieren sich mit Gold.
42 6 Mineralstufe aus der Goldmine bei Brusson im Aostatal. Neben Quarz ist kristallisiertes Gold erkennbar. Die Evançon Gold Mining Company hat bei Brusson in den Jahren 1904 bis 1909 etwa 700 Kilogramm Gold gefördert. Leihgabe: Naturhistorisches Museum Bern
43 7 Reportage über die damals geplante Goldmine in Roșia Montană (Goldbach) in Rumänien. Zeitschrift «Das Magazin» vom September 2012
8 Gold mit Quarz aus Zlatna (Rumänien). Erz aus der Gegend von Roșia Montană zeichnet sich durch besonders schön auskristallisiertes Gold aus. Leihgabe: Naturhistorisches Museum Bern
44 Sicher und sauber?
Goldraffinerien in der Schweiz
Bis 70 Prozent allen Goldes, das weltweit gewonnen wird, verarbeiten die vier Schweizer Raffinerien zu Goldbarren. Den Barren sieht man nicht an, woher das Gold kommt.
Man bezeichnet Gold in der Regel als «sauber», wenn seine Herkunft bis zum Ursprung rückverfolgt werden kann. Das bedeutet noch nicht unbedingt, dass es auch ethisch und ökologisch vertretbar gewonnen wurde.
Immer häufiger verlangen Banken und Schmuckhersteller von den Raffinerien einen Nachweis, dass die Gewinnung des Goldes, das sie verkaufen, weder Menschenrechte verletzt noch die Umwelt geschädigt hat.
45 Transparenz ist das Ziel
Wie lässt sich die Herkunft von Gold nachverfolgen? Ein Verfahren hat Haelixa, ein Spin-off der ETH Zürich, mit der Tessiner Raffinerie Argor-Heraeus entwickelt: Die Goldmine markiert das Gold mit künstlicher DNA. Die Raffinerie kann die fälschungssicheren Marker lesen.
Die Universität Lausanne und die Raffinerie Metalor gehen einen anderen Weg: Sie messen, in welchen Anteilen andere chemische Elemente im Rohgold vorkommen. Diese Messung ergibt einen «Fingerabdruck», aus dem sich die Herkunft des Goldes lesen lässt.
Die Stiftung Max Havelaar und die Swiss Better Gold Initiative zertifizieren «Fairtrade-Gold» aus dem Kleinbergbau in Peru. Die Zertifikate weisen nicht nur die Herkunft nach, sondern garantieren auch, dass das Gold menschenwürdig und umweltverträglich abgebaut wurde.
46 Frisch gegossene Standardbarren à 12,5 Kilogramm. Die Raffinerie Valcambi giesst Barren verschiedener Grösse – von 100 Gramm bis 12,5 Kilogramm. Foto: Valcambi SA, Balerna, 2014
47 Rohgoldbarren, auch Doré-Barren genannt, bilden das Ausgangsmaterial für die Raffinerien.  Vorraffinierte Barren sowie Minenbarren bilden das Ausgangsmaterial für die Raffinerien. Foto: GYR Edelmetalle AG, Baar, 2012
48 Schmelztiegel mit flüssigem Gold in der Raffinierie Valcambi. Nachdem das Gold von anderen Metallen geschieden wurde, wird es bei 1200 Grad geschmolzen und zu Barren gegossen. Foto: Valcambi SA, Balerna, 2014
49 Auf den fertigen Barren werden der Raffineur und der Feingehalt eingeprägt. Foto: Valcambi SA, Balerna, 2011
51 1–5 Ein-Gramm-Goldbarren aus Schweizer Raffinerien. Die Schweiz beheimatet vier Goldraffinerien: drei im Tessin und eine im Kanton Neuenburg. Barren von 1 bis 100 Gramm portionieren das Gold auch für schmale Portemonnaies. Solch kleine Barren sind eine Schweizer Erfindung.
52 6 Fairtrade-Gold der Zürcher Kantonalbank. Das von Max Havelaar zertifizierte Gold stammt aus einem Kleinbergbau in Peru, der den Schutz von Mensch und Umwelt respektiert.
53 7, 8 Schmelztiegel zum Giessen von Kilobarren, Kopie eines Ein-Kilogramm-Goldbarrens der Raffinerie Argor-Heraeus in Mendrisio im Tessin (ohne Wert).
9, 10  Sprühflasche für die künstliche DNA, SWAB-Test.  Mit dem Test stellt Haelixa fest, ob die DNA auf dem Gold ist. Schenkung: Haelixa AG
54 Recycling oder Upcycling?
Münzen aus Kirchenschätzen
«Du sollst dir kein Bildnis machen», heisst es in der Bibel. Die Reformatoren nahmen das zweite Gebot wörtlich und liessen Darstellungen Gottes aus Kirchen entfernen. Viele Kunstwerke wurden kurzerhand zerstört und gingen für die Nachwelt verloren.
Was religiös motiviert war, brachte auch etwas ein: 1528 beschloss der Berner Rat, Kirchenschätze aus Gold einzuschmelzen und Münzen daraus zu prägen.
55 Bildersturm in Bern. Aus der Reformationsgeschichte von 1528 des Zürcher Reformators Heinrich Bullinger. Digitalisat: Zentralbibliothek Zürich, Reformationsgeschichte 1528, 321 v
56 Von Armband bis Zahngold
Goldrecycling in der Schweiz
Ein Drittel so viel Gold, wie die Nationalbank besitzt, liegt schätzungsweise als Schmuck in Schubladen herum. Seine Besitzerinnen und Besitzer haben ihn vergessen oder ziehen ihn nicht mehr an, weil er aus der Mode ist.
Altgold kann man einschmelzen und so wiederverwenden. Viele Goldschmiedeateliers arbeiten heute nur noch mit wiederaufbereitetem Altgold.
Aber Vorsicht: Wer den Altgoldhändler voreilig aufsucht, vernichtet allenfalls kulturell wertvollen Schmuck.
57 Altgold wird gewogen, dokumentiert, eingeschmolzen und so wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Foto: GYR Edelmetalle AG, Baar, 2012
58 Mehr als Asche
Gold im Krematorium
In der Schweiz werden 90 Prozent der Leichname kremiert. Mit in den Kremationsofen gelangen dabei auch Metalle wie Prothesen, Zahnimplantate oder Schmuck. Wie soll man verantwortungsvoll damit umgehen?
Grössere medizinische Implantate aus Titan oder Stahl entfernen die Krematorien aus der Asche; Gold hingegen kommt meist mit in die Urne. Nur wenige Krematorien entfernen das Gold und führen es in den Kreislauf zurück.
59 1 Messkelch aus Messing, vergoldet, Kirche Rougemont (Waadt), Alter unbekannt. Sammlung Rittersaalverein
60 2 Berner Gulden (Kopie). Solche Goldmünzen liess der Berner Rat 1530 aus dem eingeschmolzenen Kirchenschatz prägen.
3 Berner Batzen (Kopie). Solche Silbermünzen liess der Berner Rat 1529 aus dem eingeschmolzenen Kirchenschatz prägen. Leihgaben: Bernisches Historisches Museum
61 1 Goldener Schmuck verschiedener Reinheit. Scheideanstalten bereiten solches Altgold auf, um es wiederzuverwenden.
2 Gemischte Goldschmiede-Abfälle (Gekrätz). Goldschmiede und Goldschmiedinnen sammeln solchen Abfall sorgfältig, um ihn wiederzuverwerten: Er ist zu wertvoll für den Abfalleimer!
62 3 Bergkristall in Fassung aus recyceltem Zahngold
4 Gold aus Kremationsasche. Die Stadt Solothurn hat geregelt, dass alle Metalle nach der Kremation entnommen und recycelt werden. Der Ertrag wird dem Friedhof gutgeschrieben. Leihgabe: Krematorium Solothurn
63 Verkannte Schätze
Abfall ist mehr als nur Müll
Für einen nachhaltigen Umgang mit der Welt müssten wir Produkte wiederverwenden, statt sie wegzuwerfen. Das ist heute aber oft erschwert: Vieles ist so gebaut, dass es schnell kaputt geht und sich nicht reparieren lässt. Verbundmaterialien lassen sich nicht in ihre Bestandteile zerlegen.
So besteht Getränkekarton aus Schichten von Karton, hauchdünnem Aluminium und Polyethylen-Kunststoff. Neue Techniken erlauben es, das Alu zurückzugewinnen. Recyceltes Metall hinterlässt einen sehr viel geringeren ökologischen Fussabdruck als Metall aus dem Bergbau.
64 Gold im Abfall
Wertvolle Kehrichtschlacke
Die Hälfte des Schweizer Siedlungsabfalls wird recycelt, der Rest gelangt in die Kehrichtverbrennungsanlagen. Sie produzieren Wärme, mit der man Gebäude heizen kann, sowie Rauchgas, Asche und Schlacke.
Kehrichtschlacke enthält verschiedene Metalle – auch Gold. Die Metalle aus der Schlacke zurückzugewinnen, kann sich finanziell lohnen und schont die Ressourcen.
Das Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung (ZAR), eine Stiftung zur Förderung der Kreislaufwirtschaft, setzt sich für solches Recycling ein.
65 Kehrichtverbrennungsanlage Zürcher Oberland (KEZO), Hinwil. Die KEZO produziert Wärme und Strom und gewinnt Metalle aus dem Kehricht zurück. Foto: Stiftung ZAR, 2006
66 Anlieferung von Hauskehricht, KEZO Hinwil. Der Kehricht wird gewogen und anschliessend verbrannt. Übrig bleiben Kehrichtschlacke und Flugasche. Foto: Stiftung ZAR, 2010
67 Aufbereitung der Kehrichtschlacke mit Brecher, Siebanlage und Dichtetrennung, KEZO Hinwil. Foto: Michael Soom, 2024
68 Der Induktionsabscheider löst in der KEZO Hinwil verwertbare Metalle aus der Kehrichtschlacke, nachdem das Eisen bereits abgetrennt ist. Foto: Werner Lüthi, 2024
69 1 Siedlungsmüll. Schweizerinnen und Schweizer produzieren etwa 2 Kilo Siedlungsabfall pro Person und Tag; die Tendenz ist steigend. Das sind 6 Millionen Tonnen jährlich.
70 2 Kehrichtschlacke aus der Kehrichtverbrennungsanlage Zürcher Oberland in Hinwil. Von einer Tonne Abfall bleiben nach der Verbrennung rund 200 Kilogramm Schlacke zurück.
71 3 Eisenteile aus der Kehrichtschlacke. Die Eisenteile werden von Hand und mit einem Magnetabscheider aus der Schlacke gelesen.
4 Aluminium aus Kehrichtschlacke. Das Aluminium stammt zum Beispiel von Verpackungen. Nach dem Verbrennen wird es zurückgewonnen. Schenkungen: Stiftung ZAR
72 5 Fünf Kilogramm Nichteisenmetalle.
Diese Menge trennt der Induktionsabscheider aus einer Tonne Kehrichtschlacke zur Weiterverwertung ab. Schenkung: Stiftung ZAR
6 Schälchen mit 400 Milligramm Gold. So viel Gold enthält eine Tonne Kehrichtschlacke.
73 Ideen für die Zukunft
Gold aus Elektroschrott
Um ein einziges Gramm Gold im Bergbau zu gewinnen, bewegen manche Firmen mehrere Tonnen Gestein. Wie viel leichter ist das Recycling von Elektroschrott: Vierzig Smartphones enthalten ebenfalls ein Gramm Gold!
Weil Gold nicht oxidiert und Strom leitet, vergoldet man besonders sensible Teile in elektronischen Geräten. Das Gold aus dem Schrott zurückzugewinnen, lohnt sich. Es braucht aber viel Energie und hochgiftige Chemikalien. Forscherinnen und Forscher arbeiten deshalb an neuen Verfahren.
74 Der Molkenschwamm und Gold
Wer Gold aus dem Abfall zurückgewinnen will, kann dazu Abfall aus der Käseproduktion verwenden! Beim Käsen entsteht Molke. Mit diesem Nebenprodukt recyceln Forscher der ETH Zürich Gold aus Elektroschrott.
Zuerst stellen sie aus Molkenprotein einen Schwamm her. Dann lösen sie das Gold mit Säure aus dem Schrott. Nun tauchen sie den Schwamm in das Säurebad, der das Gold an seine Fasern bindet. Verbrennt man den Schwamm, bleibt pures Gold übrig.
So leistet ein völlig ungiftiges, erneuerbares Material das, wofür man sonst giftige Chemikalien wie Quecksilber oder Cyanidlösungen einsetzt.
75 Proteinfasern aus Molke. Die Fasern entstehen bei hohen Temperaturen. Foto: Michael Soom, 2024
76 Die Molkenschwamm-Pioniere (von links): Enrico Boschi, Prof. Raffaele Mezzenga, Dr. Mohammad Peydayesh. Foto: ETH Zürich, Alan Kovacevic, 2024
77 Der Schwamm aus Molkenprotein-Fasern ist federleicht. Er kann Gold anreichern. Foto: Advanced Materials, 2024
78 Schematische Darstellung der Goldgewinnung mithilfe von Molkenprotein. Illustration: Advanced Materials (bearbeitet von Mohammad Peydayesh)
80 1 Computer-Leiterplatten. In solchen Leiterplatten, Prozessoren und RAM sind wertvolle Metalle wie Gold fein verteilt eingebaut. Leihgabe: Stiftung intact, Burgdorf
2 Becher mit Molke (Nachbildung). Die Molke ist ein Nebenprodukt der Käseherstellung. Nur ein Viertel der Molke, die anfällt, wird heute genutzt.
81  3 Schwamm aus Molkenprotein. Der Schwamm wird aus Molke mit Säure und bei hohen Temperaturen im Labor erzeugt.
4 Flasche mit in Säure gelöstem Gold und Flasche mit beigefügtem Schwamm. Der Molkenprotein-Schwamm hat das Gold gebunden (rechts). Leihgaben: ETH Zürich
82 5 Asche eines verbrannten Molkenprotein-Schwamms. In der Asche befinden sich winzige Goldpartikel. Leihgabe: ETH Zürich
6 450 Milligramm Gold. So viel Gold lässt sich aus zwanzig Computer-Leiterplatten recyceln.
83 Naturgold
Die andere Goldgewinnung
Nicht nur Bäche und Flüsse führen in der Schweiz Gold; das edle Metall kommt auch in Kiesgruben vor. Bei der Kiesproduktion fällt Sand aus Schwermineralien an. Aus solchem Sand wäscht die Firma Swissgolder Gold, ohne hierzu giftige Chemikalien einsetzen zu müssen.
Das Gold wird in seiner natürlichen Reinheit belassen und gelangt unter der Bezeichnung Naturgold in den Verkauf.
84 Kiesgrube im schweizerischen Mittelland. Aus Kiesgruben lässt sich Gold ohne Einsatz giftiger Chemikalien gewinnen. Foto: Geotest AG, 2017
85 Aus einer Kiesgrube gewonnenes Gold. Das Gold wird in einen Schmelztiegel eingefüllt und danach geschmolzen und weiterverarbeitet. Foto: Swissgolder, 2020
86 Kleine Barren werden aus einem Goldblech ausgestanzt. Auf die Rohbarren wird das Gewicht und ein Motiv geprägt. Foto: Swissgolder, 2024
87 «Grünes Quecksilber»
Laub statt giftiges Schwermetall
Um Gold von anderem Material zu trennen, kommt häufig das hochgiftige Quecksilber zum Einsatz – zum Schaden von Umwelt und Gesundheit.
In Kolumbien gewinnen Indigene Gold schon lange mithilfe von Blättern des Balsabaums und der Westindischen Ulme. Ein Schaum aus diesen Blättern bindet die Mineralien, mit denen zusammen Gold auftritt. Das Gold bleibt zurück.
Dieser Schaum wäre ein perfekter ungiftiger Ersatz. Es gibt bis heute aber keine Bestrebungen, den Wirkstoff aus den Blättern zu extrahieren und zu exportieren.
88 Blätter des Balsabaums in Kolumbien. Foto: Oliver Schmieg, 2013
89 Eine Person rührt aus Blättern des Balsabaums den Schaum an, der zur Goldgewinnung dient. Foto: Oliver Schmieg, 2013
90 1 Kunststoffmatte zum Goldwaschen. Die Kunststoffmatte hält Schwermineralien zusammen mit dem Gold in Aluminiumrinnen zurück.
2 Sand aus Schwermineralien. Im Sand, einem Nebenprodukt der Kiesgewinnung, sind kleine Goldflitter zu erkennen.
3 Naturgold aus einer Kiesgrube in der Nordwestschweiz.
91 4 2-Gramm-Goldbarren aus Naturgold.
5 Ohrhänger «Granat» aus Naturgold, angefertigt von der Goldschmiedin Julia Winkler, Langnau i.E.
6 Anhänger «Schweizer Kreuz», angefertigt von Marcel Siegenthaler aus Gold der Napfregion, Swissgolder.
92 Der Zettelwald ist der Platz für Ihre Gedanken: Was denken Sie zum Thema Gold? Welchen Umgang damit halten Sie für goldrichtig? Was wünschen Sie für eine nachhaltige Zukunft? Notieren Sie es auf einen Zettel und kleben Sie diesen um den Metalldraht!
93 Märchenhaftes Gold
Sagen, Märchen und Legenden
Gold beflügelt die Fantasie und Fantasie schafft Geschichten. In unzähligen Märchen und Sagen auf der ganzen Welt spielt Gold eine zentrale Rolle.
Gold steht für wahre Werte – aber auch für menschliche Gier. Gold zeigt sich den Guten – und täuscht die Bösen. Tauchen Sie ein in die märchenhafte Welt des Goldes!
Diese Hörstation ist entstanden in Zusammenarbeit mit der Mutabor Märchenstiftung, Trachselwald.
94 Sie haben Lust auf mehr Märchen und Sagen? Entdecken Sie unter diesem Link zur Mutarbor Webseite einen ganzen Schatz mit weiteren Märchen und Sagen zum Thema Gold.
95 Der goldene Trämel im Napf
Sage aus dem Emmental, empfohlen ab 7 Jahren, 5 Min.
Es gab Zeiten, da ging es dem Emmentaler Volk schlechter. Die Menschen litten unter der grossen Macht der Obrigkeit in Bern. Sie mussten immer mehr Steuern zahlen und grössere Anteile der Ernte abgeben. Gleichzeitig hatte ihr eigenes Hab und Gut immer weniger Wert. Wenn dann noch ein habgieriger, selbstsüchtiger Vogt das Sagen in der Gegend hatte, dann wurde es ganz schlimm. Und genau so einer war er. Einer der schlimmeren Sorte. Eigenmächtig erhöhte er die Steuern noch mehr und verlangte noch mehr Abgaben. Für Lappalien verurteilte er Menschen und sperrte sie ein.  Die Schuldgelder steckte er am liebsten gleich in die eigene Tasche. Er kannte kein Erbarmen. Und so ging es seinen Untertanen immer schlechter. Sie litten Hunger, währenddem er sich selbst bereicherte.  Seine Schatzkammer füllte sich mehr und mehr mit Gold. Irgendwann war das Fass aber voll: Die Menschen hatten genug von dem hartherzigen Tyrannen. Sie haben sich zusammengetan und bewaffneten sich mit ihren Beilen, Rechen, Heugabeln , Knüppeln – so wollten sie den bösen Vogt zu Boden bringen. Er hatte den Aufstand gerade noch rechtzeitig bemerkt. Jetzt war er an der Reihe, das Fürchten zu lehren. Hastig raffte er seinen ganzen Goldschatz zusammen und floh, auf und davon über die Emmentaler Hügel in Richtung Napf. Bis zum Berg kam er und dann hoch. Unter dem Gipfel brach er allerdings unter seiner schweren Last zusammen. «Ich kann nicht mehr, ich kann keinen Schritt mehr tun. Dieses leidige Gold, es ist einfach zu schwer. Ich muss es verstecken, bevor sie mich am Ende noch einholen. Ich kann es wieder hohlen, wenn bessere Zeiten anbrechen.» Mit letzter Anstrengung versteckte er den ganzen Goldschatz in einem Bergspalt. Und sogleich hatten ihn seine Verfolger eingeholt und in ihrer grossen Wut erschlugen sie den Vogt. Was aber passierte mit dem Goldschatz? Die Zwergenleute, die schon seit tausenden von Jahren im Napf hausten, nahmen den Schatz an sich. Mit Gold kennen sich die Zwerge aus. Sie schmolzen das Gold im Berginnern ein und formten unter grosser Anstrengung einen goldenen Trämel (Baumstamm) daraus. Seither hüten und bewachen sie diesen Trämel wie ihren eigenen Augapfel. Nur manchmal, in besonders klaren Vollmondnächten, tragen sie den Trämel vor den Berg, damit sie den goldenen Glanz im Mondschein bewundern können. Die Bewohner des Napfberglandes sehen es dann schon von weitem am Berg drüben leuchten. «Schau, schau wie es wieder schön funkelt!» «Ja, die Bergleutchen haben wohl den goldenen Trämel wieder vor die Höhle getragen.» «Schau nur das Gold, wie glänzt.» Wer es aber wagt, den goldenen Trämel eigenhändig aus dem Berg zu ziehen  und ihn in seinen Besitz bringen will, der muss während der ganzen Zeit schweigen. Ein Wort reicht und der schwere Trämel fährt mit einem Donnerknall zurück in den Berg. Bis heute hat es auf jeden Fall noch niemand geschafft, den Trämel wortlos aus dem Berg zu ziehen. Und so ist er bis heute noch da, wo er sehr wahrscheinlich auch hingehört: in der dunklen Schatzkammer vom Napf.
96 Die Zwerge in der Rotachenschlucht
Sage aus dem Emmental, empfohlen ab 5 Jahren, 4 Min.
Genau in dieser Schlucht, sollen vor vielen Jahren Zwerge in einer tiefen Felshöhle drin gewohnt haben. Manchmal konnte man in der Dämmerung beim Eingang der Schlucht kleine Lichter blinken sehen. Das müssen wohl die Zwerge gewesen sein, die mit ihren Laternen aus der Schlucht kamen. Sie halfen den Bauern des nahen Brenzikofen, im Sommer beim Heuen und Grasen und im Herbst beim Ablesen der reifen Früchte. Sie füllten die Nüsse, Birnen und Äpfel in die Körbe und stellten die Körbe vor den Stall der Bauersleute. Nicht selten kam es vor,  dass ein Bauer früh am Morgen im Stall bemerkte, dass seine Kühe schon gemolken waren. Die Kanne, ordentlich mit Milch gefüllt stand im Stall und nebenan das Butterfass. Auch dieses war mit geschlagener Butter gefüllt. Es war solch eine Freude! In der Nacht streuten die Zwerge hinten in der Schlucht manchmal heimlich etwas Gold in den Bach. Am nächsten Tag sahen es die Menschen des Dorfes in der Rotachenschlucht goldig flackern und glitzern. Sie wuschen das Gold aus und manch eine oder auch manch einer wurde sogar reich dabei. Ja, den Menschen von Brenzikofen erging es gut in der Nachbarschaft dieser fleissigen Zwerge. Eines Tages allerdings kamen die kleinen Wichte einem Bauern unter die Augen. Es war mitten im Winter und bitterkalt. «Oh nein! Diese Zwerge tragen ja kaum Kleider und frieren sicher sehr bei diesem schlechten Wetter. Sie helfen mir doch immer so gut. Jetzt ist es an mir und ich kann ihnen mal einen Gefallen tun und mich so bei Ihnen für ihre Hilfe bedanken.» Am nächsten Tag ging der Bauer zum Dorfschneider und gab 12 kleine warme Hemden in Auftrag. Ruckzuck, ruckzuck waren die Kleidlein geschneidert. Vorsichtig legte der Bauern eines nach dem anderen in seinen schönsten Korb und legte diesen vor die Stalltüre. Er selbst versteckte sich. Lange musste er nicht warten: Schon kamen die kleinen Gesellen und versammelten sich um den Korb: jeder schnappte sich ein Hemdlein und schlüpfte hinein. Jedes passte wie angegossen. Sie drehten sich und bewunderten sich gegenseitig: wie kleine Fürsten kamen sie sich vor in den neuen Kleidern. «Heidieldum, Heidideldum, dreh dich um, dreh dich um, Heidieldum, Heidideldum, dreh dich nur um. Schau die schönen Hemden an,  von heute an, von heute an, müssen wir nicht mehr arbeiten, schau sie dir nur an». Und so tanzten sie nach Hause und einer nach dem anderen verschwand in der Schlucht. Und verschwunden waren sie für immer. Von diesem Tag an sah man nie mehr Zwergen. Nur: wenn du genau hinschaust, siehst du es vielleicht: das Glitzern vom Gold in der Rotache. Wer weiss, vielleicht sind die Zwerge ja trotzdem noch da und streuen nachts manchmal heimlich ein wenig Gold in den Bach.
97 Die Zwerge im Seeland.
Zaubermärchen aus dem Berner Seeland, empfohlen ab 5 Jahren, 3 Min.
Früher gab es im Seeland noch Zwerge. Sie wohnten in kleinen Höhlen im Wald, und man nannte sie deshalb auch Erdleutchen oder Holzleutchen, weil sie aus hölzernen Schüsselchen assen. Die kräuterkundigen Zwergenfrauen nannte man Holzmütterchen. Damals lebte nah am grossen Moos ein armer Taglöhner in einer einfachen Hütte. Er war so arm, dass seine vielen Kinder immer hungrig waren. Und diese Nacht sollte seine Frau noch ein weiteres Kind zur Welt bringen. Eine Hebamme konnte sich der arme Taglöhner nicht leisten. Deshalb lief er Richtung Wald, um eines der Holzmütterchen um Hilfe zu bitten. Das alte Zwergenfrauchen ging mit ihm zur Taglöhnerhütte. Kundig half es der armen Taglöhnerfrau, bis das jüngste Kindlein geboren war. Dann bat es den Taglöhner, dass er es wieder nach Hause begleite. Als sie im Wald angekommen waren, band es seine Schürze ab, legte etwas Schweres aus seiner Höhle hinein. Sie drückte es dem Taglöhner in die Hand und sagte: «Hier nimm das Fürtuch mit als Geschenk, du hast es schwer mit den vielen Kindern, jetzt wo alles so teuer wurde. Es wird dir helfen.» Der Taglöhner bedankte sich und machte sich auf den Heimweg. Die Schürze schien ihm sehr schwer. «Da müssen Ziegelsteine drin sein», dachte er. Im Dunkeln griff er in den Stoff und liess einzelne Stücke herausfallen. Das Holzmütterchen hatte dies aber gesehen und rief: «Je mehr du fallen lässt, umso weniger wirst du haben!» Der Mann erschrak und trug nun die schwere Schürze nach Hause. Wie staunte er, als er am nächsten Morgen nach in der Schürze lauter Goldstücke fand. Von diesem Tag an ging es seiner Familie besser und die Kinder mussten nie mehr hungern. Die Zwerge aber gibt es nicht mehr im Seeland. Es heisst, sie mochten es nicht, dass die Menschen immer gieriger wurden. Sie sind fortgegangen, niemand weiss wohin.
98 Simeliberg
Märchen der Brüder Grimm, empfohlen ab 7 Jahren, 5 Min.
Es lebten einmal zwei Brüder. Der eine war so arm, dass seine Kinder hungern mussten. Der andere war sehr reich, doch wie sehr ihn der Arme auch bat, er wollte ihm in seiner Not nicht helfen. Einmal fuhr der Arme mit seinem Karren durch den Wald, da bemerkte er auf einmal einen Felsen, den er hier noch nie gesehen hatte. In diesem Augenblick hörte er Stimmen, und weil er Angst vor Räubern hatte, schob er den Karren ins Gebüsch und kletterte auf einen Baum. Dann sah er zwölf Männer kommen, die sich vor den Felsen stellten und riefen: «Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich auf!» Der Fels öffnete sich, die zwölf Männer gingen hinein, und hinter ihnen schloss sich der Fels. Nach einer Weile kamen die Männer wieder heraus, beladen mit schweren Säcken und sie riefen: «Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich zu!» Der Fels schloss sich, so dass vom Eingang war nichts mehr zu sehen war, und die zwölf Männer verschwanden im Wald. Der Arme wartete noch eine Weile, dann stieg er vom Baum herab, stellte sich vor die Felswand und rief: «Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich auf!» Da öffnete sich der Fels, und in seinem Innern war eine Höhle voll Gold und Silber und Perlen und Edelsteinen. Solchen Reichtum hatte der Arme noch nie in seinem Leben gesehen. Er überlegte hin und her, nahm schliesslich eine Handvoll Goldmünzen und liess die anderen Schätze liegen. Als er aus dem Felsen trat, sprach er: «Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich zu!» Der Fels schloss sich, und der Mann fuhr mit seinem Karren nach Hause. Mit den Goldmünzen konnte er Brot und warme Kleider für seine Kinder kaufen, so dass sie nicht Not mehr leiden mussten. Und weil er freigiebig war, gab er auch den Armen etwas. Als das Gold aufgebraucht war, wollte er noch einmal zum Felsen gehen, um von den Schätzen zu holen. Er lieh sich bei seinem reichen Bruder einen Kornscheffel, füllte in der Höhle damit die Goldmünzen in einen Beutel und brachte den Scheffel am Abend wieder zurück. Der Reiche wunderte sich schon lange darüber, dass sein Bruder auf einmal so zufrieden und freigiebig war. Als der Arme bald darauf den Scheffel noch ein letztes Mal ausleihen wollte, bestrich der reiche Bruder die Unterseite des Scheffels heimlich mit Pech. Als der Bruder den Scheffel abends zurückbrachte, klebte ein Goldstück daran. «Wo bist du gewesen, dass du das Gold mit einem Scheffel schöpfst?», fragte er ihn drohend. Da musste der Bruder alles erzählen, und er verriet auch das Geheimnis mit dem Zauberspruch. Sofort liess der Reiche einen grossen Wagen anspannen, fuhr zu dem geheimnisvollen Felsen und rief: «Berg Semsi, Berg Semsi, tu dich auf!» Der Fels öffnete sich, und der Reiche betrat die Höhle mit den Schätzen. Er stopfte das Gold und die Edelsteine in seine Taschen, füllte Säcke und Körbe, aber es schien ihm immer noch nicht genug zu sein. Doch als er endlich den Felsen verlassen wollte, um mit den Schätzen heimzukehren, wusste er den Zauberspruch nicht mehr. «Berg Simeli, tu dich auf», rief er, aber der Fels blieb verschlossen. Welchen Namen er dem Felsen auch gab, es war der falsche. So musste er im Berg bleiben und als sich am Abend der Fels öffnete, traten die zwölf Männer ein, fanden den Reichen inmitten der gefüllten Säcke voller Gold und er verlor Kopf und Leben. Als der Reiche am Abend nicht nach Hause zurückkehrte, machte sich der Bruder auf die Suche nach ihm. Doch sowohl der Felsen wie die Schatzhöhle blieben verschwunden. Wenn aber du den Felsen einmal finden würdest, wüsstest du das Sprüchlein vom Berg Sam…, Sum…, Simeliberg noch?
99 Die Goldsternchen
Märchen aus Tschechien, empfohlen ab 5 Jahren, 3 Min.
Es war einmal ein Waisenmädchen, das hiess Božena. Es war auf dem Weg zu seiner Tante und hatte nichts mehr ausser den Kleidern, die es trug, und ein Stück Brot, das sein armer Patenonkel ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Es war bereits Herbst, der Winter stand vor der Tür. Ganz allein machte sich Božena auf den Weg zum Dorf, in dem ihre Tante ihr Häuschen hatte. Da begegnete sie einem Bettler auf der Strasse, und dieser bat um etwas Essen. Da nahm das Mädchen das Brot, das sie vom Paten erhalten hatte, schenkte es dem armen Mann und sagte: «Gottes Segen für dich.» Dann lief sie weiter, und der Weg führte in den Wald. Dort traf Božena ein kleines Mädchen, das vor Kälte zitterte, weil es nur dünne, zerrissene Kleider trug. Božena hatte Mitleid mit dem Mädchen und sagte: «Hier, nimm mein Tuch, du brauchst es mehr als ich.» Dankbar nahm das kleine Mädchen das Tuch, und Božena ging weiter. Im Wald traf sie ein anderes Mädchen, das war so arm, dass es keinen wärmenden Rock hatte. Božena zog ihren warmen Wollrock aus und schenkte ihn dem kleinen Mädchen. Dann ging sie weiter in den Wald hinein. Ihr dünnes Hemdchen wärmte sie kaum, aber sie dachte beständig an das dankbare Lächeln des Bettlers und der beiden Mädchen, und das, das machte sie froh. Plötzlich sah sie, wie Sterne vom Himmel fielen. Ja, sie fielen vor ihr auf den Weg. Sie ging hin und nahm sie auf, da hatte sie auf einmal wieder einen warmen Rock an – mit Schürze. Freudig sammelte das Mädchen die Sterne in die Schürze und ging weiter. Um Mitternacht setzte sie sich unter einem Baum und schlief ein. Als Božena am nächsten Morgen erwachte, hatte sich einer der Sterne in eine Plinse, einen Eierkuchen, verwandelt, so dass sie nicht hungern musste. So lief sie weiter, den ganzen Tag, bis sie abends zum Häuschen ihrer Tante kam. Die Tante umarmte und küsste das Mädchen, und Božena sagte: «Schau, schau Tante, was ich in meiner Schürze habe!» Doch statt der vielen kleinen Sterne kullerten lauter Goldstücke aus der Schürze. Was für eine Freude für Boženka und ihre Tante! Nun mussten sie nie mehr Hunger leiden und konnten für den Rest ihres Lebens viel Gutes für andere tun.
100 König Mohindra und das Gold
Märchen aus Indien, empfohlen ab 7 Jahren, 4 Min.
Vor vielen tausend Jahren lebte in Indien einmal ein mächtiger König namens Mohindra. Sein Reich war gross und sein Reichtum so unermesslich, dass seine Goldmünzen viele Schatzkammern füllten, während sein Volk Hunger litt. Doch so viel Gold der König auch besass, es war ihm immer noch zu wenig. Einmal sass König Mohindra bis tief in die Nacht in einer seiner Schatzkammern und zählte sein Gold. Da wurde es auf einmal hell, ein Engel erschien ihm und sprach: «Heute Nacht hast du einen Wunsch frei. Sag, was wünschst du dir?» Mohindra schaute auf das Gold in seiner Hand und sagte: «Ich wünsche mir, dass alles, was ich berühre, zu Gold wird!» «Dein Wunsch wird dir erfüllt. Sobald der neue Tag anbricht, wird alles, was du berührst, zu Gold», sprach der Engel, verschwand und es wurde wieder dunkel im Raum. König Mohindra konnte den nächsten Morgen kaum erwarten. Jede Stunde ging er in den Garten, um nachzusehen, ob die Sonne schon aufgegangen war. Als die Dämmerung den Himmel golden färbte, ging der König voller Vorfreude durch seinen Garten. Mit der Hand berührte er eine Rose, die gerade ihre Blüte öffnete, und vor seinen Augen verwandelte sie sich zu Gold. Wie in einem Taumel berührte Mohindra jede Blüte, jede Pflanze und jeden Baum und bald erstrahlte der Garten in purem Gold, und die Sonne spiegelte sich darin. In diesem Augenblick betrat die Tochter des Königs den Garten. Sie ging zu der goldenen Rose und wollte an ihr riechen, aber der Duft war verschwunden. Darüber wurde sie so traurig, dass sie weinte. König Mohindra ging auf seine Tochter zu, wollte sie trösten. Er nahm sie bei der Hand und da verwandelte sie sich in Gold. Entsetzt liess er ihre Hand los und rief verzweifelt nach Hilfe, aber niemand konnte ihm sein Kind zurückgeben. Man brachte ihm Essen und Trinken, aber alles, was er berührte, verwandelte sich in Gold. Da verstand König Mohindra, dass er mit seinem Wunsch zwar der reichste Mann auf Erden war, aber bald an Hunger sterben müsste, und er begann zu weinen. Er weinte bis tief in die Nacht hinein. Da erschien ihm wieder der Engel und König Mohindra bat: «Bitte nimm mir die Gabe des Goldes wieder. Ich wünsche mir, dass alles wieder so wird wie zuvor.» Der Engel hatte Mitleid mit dem König und erfüllte ihm auch diesen Wunsch. Von diesem Tag an aber verstand König Mohindra den wahren Wert des Goldes. Er verteilte den Reichtum unter den Armen und regierte gerecht bis ans Ende seines Lebens.
Impressum
Projektteam: Yolanda Fischer, Werner Lüthi, Michael Soom, Tamara Suter
Vermittlung: Yolanda Fischer, Philipp Meyer, Tamara Suter
Hörstücke: Heidi Bracher, Luciana Brusa, Claudia Büttler, Djamila Jaenike
Redaktion: Marcel Hänggi
Übersetzungen: Paul Corken, Mirjam Grob, Marine Jeangros
Grafik: Häberli zur Grafik
Druck: Lettra Design
Schreinerarbeiten: Blockbau Burkhalter, Gfeller+Friedli Holzbau AG, Läng Schreinerei und Küchenbau AG
Beratung: Daniel Furter, Katrin Rieder, Nela Weber
Für die Unterstützung danken wir:
Einwohnerdienste Stadt Solothurn
ETH Zürich, Department of Health Sciences and Technology
Fachstelle Sekundärrohstoffe, Universität Bern
Historisches Museum Bern
Haute Ecole Arc Conservation-restauration, Neuchâtel
Mutabor Märchenstiftung, Trachselwald
Naturhistorisches Museum Bern
Rittersaalverein Burgdorf
Stiftung intact Burgdorf
Stiftung Zentrum für nachhaltige Abfall- und Ressourcennutzung ZAR
Kehrichtverbrennungsanlage Zürcher Oberland KEZO
Danke für die Projektunterstützung an:
BEKB Förderfonds
Burgergemeinde Bern
Fondation Johanna Dürmüller-Bold
Förderclub Museum Schloss Burgdorf
Gemeinnützige Gesellschaft Burgdorf
Stiftung Temperatio
Stiftung Vinetum
Verein Goldkammer Schweiz
Zwillenberg-Stiftung