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Deutscher Text
Stadt, Markt, Burg
Dort unten liegt und lebt die Stadt. Ihre Gassen sind eng; an Markttagen ist kein Durchkommen. Viele Leute leben auf knappem Raum, es ist laut und stinkt.
Wie anders ist das Leben hier oben auf der Burg: Wenn nicht gerade Burgtag ist, wohnt nur der Kastellan mit ein paar wenigen Dienern in diesen mächtigen Mauern. Mäuse wuseln herum, Spinnen spannen ihre Netze auf. Die grossen Räume sind leer und man könnte am Ende sogar Geschichten vom Schlossgespenst glauben….

 

Stadt, Markt, Burg

Residenz auf Zeit
Mittelalterliche Herrscher sind fast immer auf Achse. Eine Burg wie die in Burgdorf steht meistens leer, nur der Burgverwalter (Kastellan) lebt hier mit einigen wenigen Bediensteten. Doch wenn der Herr hier sein temporäres Domizil aufschlägt, geht es hoch zu und her auf der Burg und in der Stadt. Unter Umständen versammeln sich Hunderte Adelige samt ihrem Gefolge und ihren Pferden für mehrere Wochen.
Regieren heisst reisen
Nur wer präsent ist, hat Macht
Herrschaft ist im Mittelalter an Personen gebunden. Ein feudaler Herrscher muss Präsenz markieren – sonst ist sein Herrschaftsanspruch blosse Theorie. Fürsten reisen in ihrem Untertanengebiet umher, besuchen Adelige, Klöster, geben Feste und Turniere; sie halten Gericht, schlichten, beraten, befehlen …
Macht ein Fürst mit seinem Tross an einem Ort Halt, kommt er idealerweise in einer eigenen Burg unter. Allein ist er dabei nie, sondern umgeben von einem grossen Gefolge und meist auch von Gästen. Eine Burg und die sie umgebende Stadt müssen deshalb fähig sein, von heute auf morgen aus einem Dornröschenschlaf zu erwachen und zahlreiche Menschen und Tiere zu beherbergen, zu verpflegen und zu unterhalten.

Regieren heisst Reisen

Nur eine Mode
Burgen im Mittelalter
Sie gelten als Inbegriff ritterlicher Herrschaft. Aber Burgen waren eine recht kurzlebige Modeerscheinung: Fast alle wurden zwischen 1000 und 1300 gegründet. Und viele der heute bekannten «mittelalterlichen» Burgen stammen zwar im Kern aus jener Zeit – aber ihre heutige Gestalt erhielten sie nach und nach und zur Hauptsache erst in der Neuzeit.
Mehr Symbol denn Bunker
Die vielen Funktionen mittelalterlicher Burgen
Man scheint den Burgen ihren Zweck anzusehen: Sie sollen militärischen Angriffen standhalten. Aber die Verteidigung war nur ein Zweck unter vielen. In erster Linie waren Burgen Prestigebauten: Sie zeigten, wer die Macht hat im Land. Eindruck schinden war wichtiger, als tatsächlich Feinde abzuwehren.
Mit den Städten, die um die Burgen entstanden, markierten sie die Zentren von Politik und Wirtschaft. Sie waren Wohnsitze der Herrscher und ihrer Familien, die von einer Burg zur anderen durch ihr Reich zogen. Und sie waren Versammlungsorte, wo sich die Elite traf, um zu verhandeln und zu feiern.

Die vielen Funktionen mittelalterlicher Burgen

Grosse Halle
Der grösste Raum der Burg fasste mehrere Hundert Personen. Herzog Berchtold brauchte die Halle als Versammlungsraum, wenn er mit seinem Gefolge in Burgdorf Etappe machte. Die grössten Anlässe der Zähringer waren ihre Hoftage: Der ganze Adel des zähringischen Machtgebiets nahm teil: die von Affoltern, von Bubenberg, von Worb, von Wyl… sechzig Geschlechter umfasste das Gefolge der Zähringer.
Zeigen, was man hat
Die Hoftage
Während der Hoftage erschien die Halle in grösster Pracht: Es gab Wand- und Bodenteppiche, Fahnen und Tischdekorationen – und all das beleuchteten Hunderte von Kerzen. Der Herzog hielt Gericht, man beriet sich an Versammlungen, vor allem aber feierte man Feste mit aufwendigen Speisen und Musik, Tanz und Vorführungen aller Art. Die Hoftage waren fester Bestandteil feudaler Politik. Man hielt Reden, pries Heldentaten und verfluchte Feinde; man erklärte seine Ziele, feierte Siege, huldigte den Gästen, schlug Knappen zu Rittern…
Und natürlich verursachte all das viel Arbeit. Fest angestellte Bedienstete gab es auf der Burg nur wenige. Für die Hoftage rekrutierte man kurzfristig weiteres Personal: Köche, Metzger, Bäcker, Mägde, Knechte, Musiker und Gaukler… Bedienen liessen sich die Gäste von ihrem eigenen Gesinde, das sie mitbrachten.

Hoftag

Glauben und Beten
Der Glaube durchdrang im Mittelalter alle Lebensbereiche: Kultur, Politik, Wirtschaft waren christlich geprägt. Das Jenseits war im Denken der Menschen stets präsent: Nach dem Tod kam man ins Fegefeuer, wo man wartete, bis Gottes Gericht am Jüngsten Tag entschied, ob man in den Himmel komme oder in die Hölle. Sonntags den Gottesdienst zu versäumen war eine Sünde. Stadtbürgerinnen und Stadtbürger und die Bauern mit ihren Familien besuchten die Messe in der Pfarrkirche. Die Burgherren hatten dafür ihre eigene Kapelle.

Glauben und Beten

Verhandeln und feiern
Drei repräsentative Räume hatte das zähringische Schloss. Der Rittersaal ist der kleinste der drei. Hier traf sich der Herzog mit seinen engsten Vertrauten, um sich zu beraten, zu verhandeln und Pakte zu schliessen. Auch Feste feierte man in den Sälen des Schlosses; man ass, trank, hörte den Bänkelsängern zu … und womöglich schlief die Ritterfamilie im Sommer auch im Rittersaal.
Die wichtigsten Ereignisse der Zähringer- und Kyburgergeschichte

10./11. Jh.: Die Zähringer sind Grafen im Breisgau und im Thurgau. Im Jahr 999 gründen sie den ersten Marktplatz: Villingen nördlich von Schaffhausen. Villingen wird zum Mittelpunkt der Herrschaft der Zähringer.
1050: Berchtold I. wird Herzog von Schwaben. 1078 verliert er dieses Amt wieder im Streit mit dem deutschen König Heinrich IV.
1091/1122: Die Zähringer gründen (in zwei Etappen) ihre erste Stadt: Freiburg im Breisgau.
1098: Berchtold II. erbt die Besitzungen der Grafen von Rheinfelden. Burgdorf ist Teil dieses Erbes.
1127: Der deutsche König Lothar III. verleiht Herzog Konrad das Rektorat Burgund (eine Art Vizekönigtum im deutschen Reichsteil Burgund, der damals die Westschweiz und Gebiete im heutigen Frankreich umfasste). Wirkliche Macht besitzen die Zähringer im Gebiet zwischen Jura und Genfersee sowie im Breisgau.
12. Jh.: Die Zähringer nennen sich neu «Herzöge von Zähringen» – in Erinnerung an das verlorene Herzogtum Schwaben.
1157: Die Zähringer gründen Freiburg im Üchtland.
1173: Herzog Berchtold V. erbt viele Besitzungen der Grafen von Lenzburg.
1198: Berchtold V. will deutscher König werden, hat aber keinen Erfolg. Er versucht erfolglos, aus dem Rektorat Burgund ein Herzogtum zu machen und schlägt einen burgundischen Adelsaufstand nieder. Die Zähringer gründen Bern und Burgdorf und bauen Thun zur Stadt aus.

1218: Berchtold V. stirbt kinderlos. Die Grafen von Urach erhalten den zähringischen Besitz nördlich, die Grafen von Kyburg den südlich des Rheins. Burgdorf stünde zwar Berchtolds Witwe Clementia zu, doch die Kyburger besetzen das Schloss und Berchtolds Schwager Egino von Urach hilft ihnen dabei, indem er Clementia kurzerhand gefangen setzt.
1224: Der Kyburger Hartmann IV. wird Graf in Burgdorf.
1246-1250: Teilung der kyburgischen Herrschaft. Graf Hartmann V. erhält den Westteil und macht Burgdorf zu seiner Residenz.
1263: Hartmann V. stirbt.
Witwe Elisabeth von Châlons übernimmt die Herrschaft. Graf Rudolf von Habsburg wird Vormund der unmündigen Tochter Anna.
1273: Anna heiratet Eberhard von Habsburg-Laufenburg. Das hoch verschuldete Paar begründet den neuen Zweig der Grafen von Kyburg-Burgdorf (auch Neu-Kyburg genannt).
14. Jh.: Die Grafen schwanken zwischen Habsburg und Bern.
1383-1384: Graf Rudolf II. startet den Burgdorferkrieg gegen Bern um die Herrschaft im Burgund. Nach seiner Niederlage muss er die Städte Burgdorf und Thun an Bern verkaufen.
1417: Der letzte Graf von Kyburg-Burgdorf, Berchtold I., stirbt in Wangen an der Aare.