Nr | Deutscher Text |
Freiheit! Eine musikalische Annäherung Freiheit ist für alle etwas anderes: Manche finden sie auf Berggipfeln, für andere liegt sie in den Möglichkeiten der digitalen Welt. Für welche Freiheiten Menschen kämpfen, wandelt sich im Verlauf der Geschichte immer wieder. Im 19. Jahrhundert berief sich der junge Bundesstaat auf den legendären Freiheitskämpfer Wilhelm Tell. Heute gelten persönliche Freiheiten als selbstverständlich. Grundrechte wie etwa die Meinungsfreiheit schützen diese. Unzählige Lieder besingen die Freiheit bis heute. In diesem Raum interpretieren sechs Chöre und Bands aus Burgdorf Freiheitslieder aus verschiedenen Zeiten. Fühlen Sie sich frei, hören Sie zu und singen Sie mit! |
|
1 | Stadtluft macht frei Die Burgdorfer Handfeste von 1273 Im Mittelalter bedeutete «Freiheit», ein Recht zu besitzen. Adlige und Städte hielten ihre Rechte in Urkunden fest. Anna von Kyburg und ihr Mann, Eberhard von Habsburg, stellten Burgdorf 1273 ein Stadtrecht aus: die Handfeste. Diese regelte, wie die Menschen zusammenleben sollten. Doch nicht alle waren gleichberechtigt: Alteingesessene hatten mehr Rechte als Zugezogene und Männer mehr als Frauen. Freiheit gab es für Geld: Wer ein Jahr und einen Tagin der Stadt gewohnt hatte, konnte das Burgerrecht kaufen und sich so aus der Leibeigenschaft befreien. |
2 | Mehr als Objekte! Immaterielles Kulturerbe im Museum Museen stellen Gegenstände aus – historische Objekte oder Kunstwerke. Sie kümmern sich aber auch um Musik, Tanz, Feste oder um Wissen und Fertigkeiten: immaterielles Kulturerbe. Materielles und immaterielles Kulturerbe sind eng verbunden. Zu Museumsobjekten gehören auch die Geschichten derer, die sie hergestellt, benutzt und gesammelt haben. Immaterielles Kulturerbe verändert sich; es ist lebendig. Wer es pflegt und an die nächste Generation weitergibt, ist Träger und Trägerin des immateriellen Kulturerbes – zum Beispiel als Mitglied in einem Chor. |
3 | Freiheit im Ohr Menschen aus Burgdorf singen Unter den Hörglocken erklingen sechs Lieder zur Freiheit. Chöre und Bands aus Burgdorf spielten sie 2023 ein. Die Musizierenden nahmen sich die Freiheit, die zum Teil alten Lieder neu zu interpretieren und sie gestalteten auch diese Ausstellung mit. An den Hörstationen schildern die Sängerinnen und Sänger, was Freiheit und das jeweilige Lied für sie bedeutet. Angaben zur Geschichte der Lieder ergänzen die Aussagen. |
4 | Glauben Lied «Haslibacher Ballade», unbekannter Dichter, 1620er-Jahre, gesungen vom Konzertchor Burgdorf, bearbeitet von Tim Rebmann, 3 Min. Stimmen Der Konzertchor Burgdorf – fest im städtischen Kulturleben verankert, 1 Min. Freiheit Freiheit gibt es nur, wenn Andersartigkeit Platz hat, 1 Min. Aus der Geschichte des Liedes Wie die Glaubensgemeinschaft der Täufer im 16. Jahrhundert im Emmental verfolgt wurde, 1 Min. |
Lied «Haslibacher Ballade» Was wollen wir aber anstimmen Zu singen von einem alten Mann Der war von Haslibach Haslibacher wurde er genannt Aus der Kirchgemeinde Sumiswald Dass das der liebe Gott zugelassen hat Dass er hart angeklagt wurde Wohl wegen seinem Glauben Da hat man ihn hart gefangen Führte ihn nach Bern in die Stadt Und da er nun gefangen war Gefoltert und hart gequält Die Herren gingen zu ihm Du musst von deinem Glauben abstehen Oder man wird dir deinen Kopf abschlagen Der Täufer sprach gut zum Henker Esst und trinkt, seid guten Mutes Ihr werdet am heutigen Tage Hinrichten mein unschuldiges Blut Ist aber für meine Seele gut Da kam er auf die Richtstätte kam Den Hut von seinem Kopf abnahm Und ihn vor die Leute legte Meine Sache ist bei Gott platziert Gebt jetzt nur euer Urteil kund Danach schlug man ihm seinen Kopf ab Da sprang er wieder in seinen Hut Die Zeichen hätte man gesehen Des Täufers Mund hat gelacht im Hut Das bedeutet Gottes Strafe und Rute |
|
Stimmen Konzertchor Burgdorf Im Konzertchor Burgdorf singen rund 80 musikbegeisterte Sängerinnen und Sänger aus Burgdorf und Umgebung. Der Konzertchor ist ein Zusammenschluss von drei Burgdorfer Chören: dem Gesangverein, dem Männerchor Liederkranz und dem Lehrergesangverein. Der älteste, der Gesangsverein, existiert schon seit 1805. Ab den 1970er-Jahren traten die drei Chöre zusammen auf, und daraus entstand dann der Konzertchor. Seit dem Frühling 2019 leitet Gonzague Monney den Chor. Der Chor studiert heute bedeutende, anspruchsvolle Werke aus verschiedenen Epochen und Stilrichtungen ein. Meist werden diese mit Solistinnen und Solisten in der Stadtkirche Burgdorf aufgeführt. Diese Konzerte sind zu einem festen Bestandteil im Burgdorfer Kulturleben geworden. |
|
Freiheit Konzertchor Burgdorf Für die Mitwirkenden des Konzertchors bedeutet Freiheit, dass sie tun, denken und sagen können, was sie möchten. Sie können die Gesellschaft mitgestalten und dürfen ein unabhängiges, selbstbestimmtes Leben führen. Das macht zufrieden und glücklich. So bietet Freiheit die Möglichkeit, sich zu entfalten – zum Beispiel im Konzertchor. Das gemeinsame Singen befreit und öffnet Geist und Seele. Eine solche Freiheit bedingt Respekt, Toleranz und Verantwortung den Mitmenschen und anderen Lebewesen gegenüber. Das Lied vom Haslibacher zeigt, dass dies nicht immer so war. Hans Haslibacher wurde in seiner Glaubensfreiheit durch die Machthabenden eingeschränkt. Ihm war sein Recht auf den Glauben so wichtig, dass er dafür in den Tod ging. Die Geschichte zeigt, dass Freiheit nur gemeinsam mit Toleranz und Akzeptanz von Andersartigkeit existieren kann. |
|
Aus der Geschichte des Liedes «Haslibacher Ballade» Am 20. Oktober 1571 wurde in Bern der letzte Täufer hingerichtet: Der Landwirt und Täuferlehrer Hans Haslibacher. Er hatte sich in der Gefangenschaft geweigert, dem Täufertum abzuschwören, und wurde daraufhin geköpft. Wie er wurden zahlreiche Täufer verfolgt, inhaftiert, verbannt oder hingerichtet, wenn sie ihren Glauben leben wollten. Lange Zeit waren Kirche und Obrigkeit sehr eng verbunden. Die Täufer wollten den Glauben von der Obrigkeit lösen und somit noch weiter gehen als die Reformation. Deshalb erliessen die Regierenden Gesetze gegen die Täufer. Religionsfreiheit gab es in der Schweiz erst 1848 mit der Gründung des Bundesstaates, für Juden gar erst 1874 mit der Revision der Bundesverfassung. Täuferinnen und Täufer gibt es heute noch – einige leben in den USA und nennen sich Amische. Die Amischen singen bis heute das Lied von Hans Haslibacher, dem Täufer aus dem Emmental. |
|
5 | Zensur Lied «Lied der Burgdorfer Schützen», Gottlieb Jakob Kuhn, 1830, gesungen von Cantabella Burgdorf, 4 Min. 25 Sek. Stimmen Cantabella Burgdorf: Vom Arbeiter Männerchor zum Gemischten Chor Burgdorf, 1 Min. Freiheit Aus der Zeit, aber nicht der Zensur zum Opfer gefallen, 1 Min. Aus der Geschichte des Liedes Von Festen, Schützen und Burgdorfer Liberalen im 19. Jahrhundert, 1 Min. |
Lied «Lied der Burgdorfer Schützen» Grüss Gott! Die starken Brüder Da sie sind lustig wieder Zum frohen Waffenspiel Zum frohen Waffenspiel Doch wollen wir die Büchse laden Solls nichts dem Feinde schaden Es mag knallen, wie es will Es mag knallen, wie es will Hallot, hallot, hallot, hallot Es mag knallen wie es will Hallot, hallot, hallot, hallot Es mag knallen, wie es will Alle wollen so sein wie die Väter Fest stehen in Sturm und Wetter Wenn es einmal Krieg geben sollte Wenn es einmal Krieg geben sollte Doch bis es anfängt zu krachen Wollen wir es uns lustig machen Und fröhlich sein bei Wein Und fröhlich sein bei Wein Hallot, hallot, hallot, hallot Und fröhlich sein bei Wein Hallot, hallot, hallot, hallot Und fröhlich sein bei Wein So tuen wir wie die Alten Zwar haben wir die Armbrust gehalten Der Spiess, der Morgenstern Der Spiess, der Morgenstern Und manch einer sagt: Ach! Leider Die Alten Schweizerkleider Sind nicht mehr Mode in Bern Sind nicht mehr Mode in Bern Hallot, hallot, hallot, hallot Sind nicht mehr Mode in Bern Hallot, hallot, hallot, hallot Sind nicht mehr Mode in Bern Heh! Was ist daran gelegen Nicht die Waffe gibt den Segen Nicht die Jacke macht den Mann Nicht die Jacke macht die Frau Wollen wir so wie die Alten Einträchtig zusammenhalten So wird’s wohl ungefähr gehen So wird’s wohl ungefähr gehn Hallot, hallot, hallot, hallot So wird’s wohl ungefähr gehn Hallot, hallot, hallot, hallot So wird’s wohl ungefähr gehen Und darum, ihr Schützenbrüder Lasst tönen die Schweizerlieder Steht zusammen Hand in Hand Steht zusammen Hand in Hand Zu allerlei Kantonen Soll Friede und Eintracht wohnen Hoch lebe das Vaterland Hoch lebe das Vaterland Hallot! Hallot! Hallot! Hallot! Drum weg mit der Zensur Hallot! Hallot! Hallot! Hallot! Drum weg mit der Zensur |
|
Stimmen Cantabella Burgdorf Bei Cantabella Burgdorf wirken über 50 Frauen und Männer jeden Alters mit, die Freude und Spass am gemeinsamen Singen haben. Der Chor wurde 1897 als Grütlimännerchor gegründet und 1920 umbenannt in den Arbeiter Männerchor Burgdorf. 1990 wurde wegen des Mitgliederschwundes beschlossen, auch Sängerinnen aufzunehmen. So entstand der Gemischte Chor Burgdorf, der sich seit 2021 Cantabella Burgdorf nennt. Der Chor singt heute Lieder aus allen Musikrichtungen wie Musical, Gospel, Klassik, Volksmusik, Schlager, Pop oder Geistliches. Ungefähr alle 2 Jahre studiert er neues Liedgut für ein grösseres Konzert ein. Dazwischen nimmt er an regionalen und nationalen Chortreffen teil und freut sich auf Anfragen zum Beispiel für Gottesdienste, Seniorenheime oder private Feste. Zum Vereinsleben gehören auch die geselligen und gemütlichen Anlässe. |
|
Freiheit Für die Mitwirkenden von Cantabella löst das Schützenlied auf den ersten Blick vor allem Irritationen aus. Die Inhalte wirken ziemlich aus der Zeit gefallen und fremd. Doch wer sich mit der Botschaft befasst, wird bald merken, dass diese immer noch brandaktuell ist. Das Lied zeigt, dass alle Menschen verantwortlich dafür sind, den gesellschaftlichen Rahmen und damit die Freiheit mitzugestalten. Das Lied erinnert daran, dass diese Freiheit erkämpft wurde, indem sich die Menschen früher gegen Vorschriften und die Obrigkeit aufgelehnt haben und Zensur nicht duldeten. Mitbestimmung ist nicht selbstverständlich! Das Lied mahnt uns, unsere Freiheit, den Frieden zu zelebrieren, Hand in Hand, jedoch immer mit einem wachsamen Auge. Nehmen wir uns also die Freiheit, gemeinsam an einer guten, interessanten und freien Zukunft zu arbeiten. |
|
Aus der Geschichte des Liedes Die Zeit vor der Gründung des Bundesstaats 1848 war geprägt von Aufständen und dem Sonderbundskrieg. Die Liberalen versuchten, ihre aufklärerischen Ideale zu verbreiten, die regierenden Konservativen wollten dies verhindern. Pressefreiheit gab es damals nicht. Darum verbreiteten die Liberalen ihre Ideen in den Vereinen, zum Beispiel im Schützenverein, und trafen sich zu landesweiten Festen. 1930 fand das eidgenössische Schützenfest in Bern statt. Die Burgdorfer Schützen wollten das Lied vom Burgdorfer Gottlieb Jakob Kuhn singen. Die Zeile «die alte Schwyzerchleider sin nümme Modä z’Bärn» war eigentlich nicht rebellisch gemeint, aber die konservative Regierung interpretierte sie als Angriff: ihre «alten Chleider», also die Ideen, seien bei den Liberalen nicht mehr in Mode. Die Regierung wollte Lieder zensieren – die Schützenvereine drohten abzureisen. Das war Druck genug, damit die Berner Regierung auf die Zensur verzichtete. Fortan endete das Lied der Burgdorfer mit der Zeile: «Drum weg mit der Zensur». |
|
6 | Mythos Lied «Aemme-Jutz», Willy Felder, 2005, gesungen vom Aemmitaler-Chörli Burgdorf, 3 Min. 45 Sek. Stimmen Das Aemmitaler-Chörli zwischen Tradition und Moderne, 1 Min. Freiheit Die Emme ganz ruhig, ganz wild und ganz frei von Text, 1 Min. Aus der Geschichte des Liedes Von Jodel, Natur und Politik im Jahre 1848, 1 Min. |
Stimmen Das Aemmitaler-Chörli singt traditionelle und moderne Jodellieder und pflegt so das Schweizer Brauchtum und die Heimatliebe. 1941 schlossen sich Männer des Bürgerturnvereins in Burgdorf zusammen, um an Unterhaltungsabenden Jodellieder zum Besten zu geben. Die eigentliche Gründung des Jodelchors fand dann nach dem 2. Weltkrieg, im Jahr 1947, statt. Über die Jahre hinweg folgten viele Auftritte. Highlights waren sicher das eidgenössische Jodelfest in Burgdorf 1984 oder das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in Burgdorf 2013. Heute probt der Chor einmal in der Woche am Donnerstag, seit einigen Jahren auch mit Jodlerinnen. Besonders wichtig sind die Kameradschaft und das gemütliche Beisammensein. |
|
Freiheit Für die Jodlerinnen und Jodler des Ämmitaler-Chörli macht das Singen im Chor frei, es lässt Sorgen vergessen und macht glücklich. Freiheit bedeutet für die Mitglieder auch, Traditionen lebendig zu halten. Sie tragen Trachten und singen traditionelle und moderne Jodellieder, was ein Gefühl der Zusammengehörigkeit ergibt. Der Aemme-Jutz ist ein Natur-Jutz. Der Naturjutz kommt ganz ohne Worte aus. Die Melodie und der Rhythmus stehen im Zentrum. So lädt diese Form des Jodels dazu ein, einfach mal zu fühlen. Dem Publikum ist es dabei selbst überlassen, was es beim Zuhören empfindet. Einzig der Titel «Aemme-Jutz» verrät, wie das Lied sich an der Emme orientiert, vom ruhigen Rinnsal bis zum tobenden Fluss. |
|
Aus der Geschichte des Liedes Willy Felder komponierte den Aemme-Jutz nach dem grossen Unwetter von 2005, bei dem die Emme über die Ufer trat und die Natur die Grenzen unserer Freiheit aufzeigte. Gleichzeitig verbinden viele Menschen mit der Natur auch das Gefühl, frei zu sein. So wurde bei der Entstehung des Bundesstaates die Verbindung von Natur und Freiheit auch für politische Ziele genutzt. Es gab keine einheitliche Sprache oder Kultur. Deswegen griffen die Gründer auf den Mythos der freien Schweiz zurück, und im Zentrum dieses Mythos standen die Alpen. Der Älpler verkörperte die ländliche Idylle, die direkte Demokratie in Form der Landsgemeinde und die Freiheit – eben die Werte, von denen man wollte, dass sich alle Schweizer und Schweizerinnen damit identifizieren. Und so wurde der Gesang des Älplers, der Jodel, zur Hymne dieses Freiheitsmythos. Und diese Freiheit war es, die die Schweiz vereinen sollte – trotz allen religiösen, politischen und sprachlichen Differenzen. |
|
7 | Lockdown Lied «Längwiligi Zitte», Lina Wisler-Beck, 1920, gesungen von The Rattlesnakes, 2 Min. 50 Sek. Stimmen The Rattlesnakes – DIE Burgdorfer Rockband, 1 Min. Freiheit Nicht tun müssen, was der Mensch nicht tun will, 1 Min. Aus der Geschichte des Liedes Von der Maul- und Klauenseuche 1920 bis zur Corona-Pandemie 2020, 1 Min. |
Lied «Längwiligi Zitte» Nirgends ist ein Volksfest und nirgends ist Tanz Zuhause ums Haus herum geht man zugrunde Ich habe mir schon oft den Kopf zerbrochen Was wohl noch zu machen wär, damit die Zeit vergeht. Wer es sich gewohnt ist zu springen und zu tanzen, oh je Dem tun diese Seuchen-Verordnungen weh Jeder muss es sagen, kurzweilig ist es nicht Noch besonders für ledige, lustige Leute Darum bleibe ich zu Hause. Ich halte mich dran Und hoffe der Jammer ginge mal vorbei Ich bin ja nicht einzig, es trifft andere auch Man muss sich nur daran gewöhnen, dann wird man schon zahm Besonders der Sonntag erscheint so lang Das Fortgehen ist verboten und nämlich noch streng Würde jemand dann einen sehen, oh weisst du das hätte gefehlt Da müsste man schwer büssen – und ich habe kein Geld! Darum bleibe ich zu Hause. Ich halte mich dran Und hoffe der Jammer ginge mal vorbei Ich bin ja nicht einzig, es trifft andere auch Man muss sich nur daran gewöhnen, dann wird man schon zahm |
|
Stimmen 2015 konnte die Rockband Rattlesnakes ihr fünfzigjähriges Jubiäum feiern. Das Burgdorfer Stadtmagazin würdigte sie damals mit einer Doppelseite. Dabei kam klar heraus: Die Rattlesnakes sind in Burgdorf eine Institution. Aber nicht nur lokal. Die Band wirkte von Burgdorf aus nach Europa! Die Rattlesnakes traten seit der Gründung 1965 nicht nur fast überall in der Schweiz auf, sondern auch in Deutschland, Frankreich und Österreich. Stilmässig blieb die Band der klassischen Rock-Musik – mit viel mehrstimmigem Gesang – bis heute treu. Das Lied zum Thema „Freiheit“ hingegen weicht stark vom sonstigen Stil der Band ab. Es entstand spontan – die Bandmitglieder hatten Lust, anlässlich der Ausstellung etwas Neues auszuprobieren. |
|
Freiheit Das Gedicht «Längwiligi Zitte» hat Lina Wisler-Beck im Jahr 1920 geschrieben. Anlass war damals die Maul- und Klauenseuche. Jürg Blaser, der Gitarrist und Keyboarder der Rattlesnakes, las das Gedicht während der Pandemie 2020 und war erstaunt über dessen Aktualität. Kurz zuvor hatte Jürg Blaser nämlich selbst ein Lied zur Corona-Situation geschrieben. Der Song rief nach Freiheit – mit modernem Sound und Rhythmus. Doch jetzt konnte er nicht anders, als das Gedicht von Lina zu vertonen. Um die Situation von 1920 zu beschreiben, wählte er einen Musikstil, wie es damals hätte tönen können. In beiden Fällen, 1920 und 2020, entzog die Regierung den Menschen gewisse Freiheiten. Diese Einschränkungen machten vielen zu schaffen. Für Jürg Blaser trifft es ein Zitat von Jean-Jacques Rousseau sehr gut: «Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, daß er tun kann, was er will, sondern, daß er nicht tun muß, was er nicht will.» |
|
Aus der Geschichte des Liedes Die Corona-Pandemie war für alle Menschen ein sehr einschneidendes Erlebnis. Im Lockdown fühlten sich viele zu Hause eingesperrt. 100 Jahre zuvor, 1920, griff in Bern die gefürchtete Maul- und Klauenseuche um sich. Betroffene Gemeinden wurden zu Bannzonen erklärt, die Post desinfizierte Briefe, Tanzanlässe waren verboten, Wirtschaften und Hotels geschlossen, Grossanlässe wie die Burgdorfer Solätte wurden abgesagt. Die Emmentalerin Lina Wisler-Beck war damals 22 Jahre alt und verarbeitete das Erlebte in ihrem Gedicht «Längwiligi Zitte». «Nirgends ist ein Volksfest und nirgends ist Tanz Zuhause ums Haus herum geht man zugrunde Ich habe mir schon oft den Kopf zerbrochen Was wohl noch zu machen wär, damit die Zeit vergeht.» Das Gedicht wurde 2020 wiederentdeckt und in den Sozialen Medien und in Zeitungen veröffentlicht: Spürbar der Verdruss, seine kostbaren jungen Jahre nicht geniessen zu können. Der Lockdown wird zum Abwägen zwischen der eigenen Freiheit und dem Schutz der Anderen. Wie sehr darf die Regierung Freiheit einschränken und wie viel Solidarität zeigen wir als Gesellschaft? |
|
8 | Flucht Lied «Steu dir vor», Alizarin, 2022, 2 Min. 45 Sek. Stimmen Ahmand von der Band Alizarin zur Band, Freiheit und Musik, 1 Min. Mustafa von der Band Alizarin zu Freiheit und Flucht, 1 Min. Wintana von der Band Alizarin zu Freiheit und Integration, 1 Min. Lied «TDME», Antytila, 2019, gesungen vom Chor der Willkommensklassen Burgdorf, 3 Min. 30 Sek. Stimmen Chor der ukrainischen Schülerinnen und Schüler in den Burgdorfer Willkommensklassen, 1 Min. |
Lied «Steu dir vor» Wir sind zusammen. Wir sind von überall gekommen. Wir wollen Freiheit und das ist unser Wunsch. Ich bin wie ein trauriger Vogel, der aus seinem Nest vertrieben wurde. Alles was ich will ist Freiheit und ein friedliches Leben in Menschenwürde. Stell dir vor, der Weg nach Norden ist offener geworden wie das wäre – von den Refugees braucht keiner einen Ausweis mehr bist du willkommen, dann bist du daheim das ist die richtige Richtung Wir können Frieden finden, indem wir uns gegenseitig akzeptieren, weil Frieden in unseren Herzen ist. Stell dir vor, der Weg nach Norden ist offener geworden wie das wäre – von den Refugees braucht keiner einen Ausweis mehr bist du willkommen, dann bist du daheim das ist die richtige Richtung 7000 Kilometer, das ist die Strecke, die Abdul zurückgelegt hat, von Kabul über Bern nach Thun, das wertvollste, das er hat, ist sein Kattun-Turban, sein Rücken ist mit Narben aus Istanbul übersät, er konnte sich nicht wehren, er spricht nur Paschtu, er ist trotzdem froh, dass er in Sicherheit ist, es passt schon. Die Grenzen sind geschlossen, die Herzen verschlossen, an welche Tür würdest du klopfen, wenn du von dieser Situation betroffen wärst? Stell dir vor, der Weg nach Norden ist offener geworden wie das wäre – von den Refugees braucht keiner einen Ausweis mehr bist du willkommen, dann bist du daheim das ist die richtige Richtung |
|
Stimmen Ahmad Ahmad kommt aus Afghanistan und singt in der Band Alizarin. Die Band wurde 2016 im Asylzentrum gegründet, wo Ahmad damals lebte. Ein Deutschlehrer begann, mit den geflüchteten Jugendlichen Mundartlieder zu singen. Bald schon hatte die Band ihren ersten Auftritt im Asylzentrum. Heute besteht Alizarin aus sieben Mitgliedern, zur Hälfte hier geboren und zur Hälfte Geflüchtete. Für Ahmad ist Musik eine Sprache der Liebe und Gefühle. Diese Sprache verstehen alle Menschen. Die Musik überwindet alle Grenzen wie Sprache, Religion, Kultur oder Hautfarbe. Auch wenn sich Menschen nicht verstehen, können sie sich durch die Musik und ihre Ausdrucksformen begegnen und verständigen. Musik verleiht ein Gefühl der Freiheit. Kein Verbot kann sie aufhalten. Gemeinsam interpretiert die Band Songs aus den Heimatländern der Mitglieder neu. |
|
Stimmen Mustafa Mustafa ist 2019 aus der Türkei in die Schweiz geflohen. Weil er eine andere Meinung hatte als die Regierung Erdogan, galt er als Terrorist und wurde ins Gefängnis gesteckt. An einem Tag wurde ihm sein Leben gestohlen. Er verlor seinen Job, seine Ausbildung und alles, was er sich aufgebaut hatte. So blieb nur die Flucht. Er musste seine Familie, sein Land, seine Freunde verlassen, sein Leben aufgeben und aus der Türkei flüchten. Es war ein gefährlicher Weg. Tausende von Menschen starben unterwegs. Mustafa ist einer der Glücklichen, die es geschafft haben. Nun ist er in der Schweiz, aber er hat die erträumte Freiheit noch nicht erlangt. Ständig holen ihn traumatische Erinnerungen ein und verfolgen ihn. Für Mustafa ist jeder Geflüchtete wie ein verwundeter Vogel, der aus seinem Nest gerissen wurde. Er erwartet von den Schweizerinnen und Schweizern nicht, dass sie seine Wunden heilen, sondern nur, dass Sie ihm freundlich und auf Augenhöhe begegnen. |
|
Stimmen Wintana Wintana kommt aus Eritrea. Für sie ist Integration ein Mittel, das alle zusammenbringt. Es ist mehr als Anpassung. Es geht darum, einander zu akzeptieren und Verständnis zu zeigen, dass nicht alle Menschen gleich denken. Als sie einmal mit einer Kollegin laut lachte, hat sich eine alte Dame empört und gesagt, dass hier nicht Afrika sei und sie zu laut reden würden. Die Schweiz ist ein freies Land. Und dennoch ist Wintana oft nicht so frei, wie sie sich das vorgestellt hat. Es gibt viele Einschränkungen im Alltag, weil sie mit dem F-Ausweis viele Dinge nicht selbst entscheiden kann. Sie hat zwar einen Lehrabschluss in der Tasche und lebt eigenständig. Dennoch kann sie keinen Handyvertrag abschliessen oder ins Ausland reisen. Wintana fühlt sich als Teil der Gesellschaft in einem freien Land, aber ganz frei ist sie doch nicht. |
|
Lied «TDME» Leise, leise, stopp den Marathon. Du wachst auf, es war nur ein Traum. Es gibt keine Fälschungen, listige Worte. Klarer Kopf statt Köpfe. Wer hat den Film auf die Leinwand gemalt. Wer hat Rollen gegeben und sich geschminkt. Wer ist nur eine Puppe, und wer ist Puppenspieler. Es ist Zeit zu verstehen. Woo-woo-woo… manchmal heult der Wind. Und das Boot schaukelt auf dem Wasser. Huh-huh-huh … Fürchte dich vor nichts. Am Ende des Szenarios gibt es ein Happy End. Wo wir sind… Wo wir sind… Wo wir sind… Wo wir sind… Auf dieser Seite des Bildschirms Auf dieser Seite des Bildschirms Auf dieser Seite des Bildschirms Auf dieser Seite des Bildschirms Liebe frei, küss langsam. Verabschiede dich schnell oder nie. Die Zeit ist knapp, da muss man hin. Möchtest du die Wahrheit? Du musst es finden. Die Leute wachen immer noch auf. Die Leute verstecken sich nicht mehr. Eine neue Tiefe liegt vor uns. So eine interessante Zeit. Woo-woo-woo… manchmal heult der Wind. Und das Boot schaukelt auf dem Wasser. Huh-huh-huh … Fürchte dich vor nichts. Am Ende des Szenarios gibt es ein Happy End. Wo wir sind… Wo wir sind… Wo wir sind… Wo wir sind… Auf dieser Seite des Bildschirms Auf dieser Seite des Bildschirms Auf dieser Seite des Bildschirms Auf dieser Seite des Bildschirms |
|
Stimmen Dieses Lied singen Kinder aus der Ukraine. Ausgelöst durch die russische Invasion am 24. Februar 2022 wurden sie aus ihrem Heimatland vertrieben und flohen vor dem Krieg in die Schweiz. Seither haben sie in Burgdorf ein neues Zuhause gefunden. Unterrichtet werden sie in sogenannten Willkommensklassen, die speziell für sie geschaffen wurden. Im Lauf der Geschichte hat die Ukraine immer wieder für Freiheit und Unabhängigkeit gekämpft. Die Kinder hoffen und glauben, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnen wird. Für die Ausstellung haben sie das Lied TDME von Антитіла (Antitila) gewählt. Das Lied ist besonders bei jungen Menschen sehr beliebt. Es zeigt auch die Stimmung der Ukrainerinnen und Ukrainer angesichts der aktuellen Situation: Sie wollen keine Marionetten sein, sie wollen frei sein. Und wenn manchmal die Aussichten dunkel sind, geben die Worte aus dem Lied Kraft: “Hab keine Angst. Am Ende des Drehbuchs gibt es ein Happy End”. |
|
9 | Sing mit! Was bedeutet Freiheit heute? In dieser schallgedämpften Box können Sie Ihre Ideen zur Freiheit ausdrücken. Ob gesungen, gesprochen, gerappt oder gejodelt – äussern Sie sich frei von der Leber weg. Der Burgdorfer Musiker Tim Rebmann verarbeitet die Inputs der Besuchenden zu einem neuen Freiheitslied. Gerade keine Idee? Sie können uns Ihre Gedanken zur Freiheit auch später mitteilen. Schicken Sie ein Sprachmemo von maximal 15 Sekunden an museum@schloss-burgdorf.ch «Freiheitslied», Tim Rebmann, Oktober 2024. Entstanden aus Beiträgen von Besuchenden der Ausstellung «Freiheit! – eine musikalische Annäherung». |
10 | Weitersingen Immaterielles Kulturerbe pflegen In Burgdorf singen Menschen seit über 200 Jahren in Chören. Wollen Sie mitsingen? Die Chöre freuen sich auf neue Stimmen. Aemmitaler-Chörli: Der Jodelklub pflegt Brauchtum und Geselligkeit – am liebsten in der Tracht. www.jk-aemmitaler-choerli.ch Alizarin: Menschen aus dem Emmental mit und ohne Migrationserfahrung singen gemeinsam Lieder von nah und fern. www.facebook.com/alizarinband/ Cantabella Burgdorf: Der gemischte Chor singt Lieder aller Musikrichtungen. Neben Proben und Konzerten gehört auch das gemütliche Beisammensein dazu. www.cantabella.ch Konzertchor Burgdorf: Junge und Ältere singen anspruchsvolle Chormusik aus allen Epochen. Höhepunkt ist das jährliche Konzert in der Stadtkirche. www.konzertchor-burgdorf.ch |
Impressum Projektleitung: Daniel Furter Szenographie: Nela Weber und Pia Hönger Projektmitarbeit, Recherche: Tamara Suter Tontechnik und Aufnahmen: Tim Rebmann Hörstücke: Christina Caprez, Martin Bezzola, Céline Rhiannon Moos Redaktion: Sarah Caspers Übersetzungen: Mirjam Grob, Paul Corken, Gabriel Sidler Metallbauarbeiten: Eigenweld – Tobias SchaadEin grosser Dank an alle beteiligten Chöre und Bands sowie die Mitglieder der Konzeptgruppe fürs Mitdiskutieren, Koordinieren, Schreiben, Mitgestalten, Proben und Singen. Ihr habt diese Ausstellung ermöglicht!Danke ans Museum.BL, Liestal für die Musikbox, die in dieser Ausstellung zum zweiten Mal zum Einsatz kommt.Danke für die Projektunterstützung an: Bernische Winkelried- und Laupenstiftung Burgergemeinde Bern Gemeinnützige Gesellschaft Burgdorf Ursula Wirz-Stiftung Vontobel-Stiftung Zwillenberg-Stiftung Förderclub des Museum Schloss Burgdorf |