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0 Sammler und Lebemann
Heinrich Schiffmann (1872–1904)
Heinrich Schiffmann lebte kurz, aber abenteuerlich – an beidem war seine Tuberkuloseerkrankung schuld. Die damals weit verbreitete Krankheit war nicht heilbar, Luftwechsel sollten aber ihre Symptome lindern.
So reiste Schiffmann mit dem Schiff rund um den Globus. Seine Familie hatte im Käsehandel Wohlstand erlangt.
Der reiche Burgdorfer kaufte zahlreiche exotische Andenken. Er füllte damit zunächst seine Villa in Ouchy am Genfersee und vermachte sie schliesslich dem Gymnasium Burgdorf. Die nach seinem Tod gegründete Schiffmann’sche Sammlung wurde später zum Völkerkundemuseum Burgdorf.
Soweit nicht anders vermerkt, gehören die Objekte in diesem Raum zur Ethnologischen Sammlung.
1 Heinrich Schiffmann posiert mit Beduinentracht und Reiseandenken in einem Lausanner Fotostudio, 1898.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
2 Um die Welt
Reisen um 1900
Zwei Weltreisen, eine grosse Südamerikareise, Kreuzfahrten durchs Mittelmeer und auf die Kanaren – und das alles in nur zehn Jahren: Soll niemand sagen, ohne Flugzeug habe man die Welt nicht bereisen können!
Die Verkehrs-, Energie- und Kommunikationstechniken machten zu Schiffmanns Zeit grosse Fortschritte. Europa hatte die Welt auf seine Weise globalisiert und Amerika, Asien und Afrika unter sich aufgeteilt.
Reisen war bequem wie nie, man stieg in guten Hotels ab – sofern man ein reicher Europäer war.
3 Heinrich Schiffmanns Reiseroute 1899/1900, gezeichnet von seinem Neffen Alfred G. Roth.
4 Heinrich Schiffmanns Reiseroute 1897/1898, gezeichnet von seinem Neffen Alfred G. Roth.
5 Heinrich Schiffmanns Reiseroute 1895, gezeichnet von seinem Neffen Alfred G. Roth.
6 Heinrich Schiffmanns osmanischer Pass, 1894.
Schiffmann liess sich den Pass ausstellen, um ungehindert durch den Nahen Osten reisen zu können, der damals mehrheitlich zum Osmanischen Reich gehörte.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
7 Heinrich Schiffmanns Reisepass, 1901.
Als «besondere Merkmale» nennt der Pass Tätowierungen. Schiffmann hatte sich seine Initialen sowie das Wappen seiner Familie auf den Unterarm tätowieren lassen.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
8 Brief Heinrich Schiffmanns vom 16. Februar 1896 aus Hyères an seinen Stiefvater Ferdinand Roth.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
9 Brief Heinrich Schiffmanns vom 2. März 1900 von Bord der S.S. Ammon vor den Falklandinseln an seinen Stiefvater Ferdinand Roth.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
10 Postkarte Heinrich Schiffmanns vom 15.Dezember 1903 aus Madagaskar an seinen Halbbruder Guido Roth.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
11 Postkarte Heinrich Schiffmanns vom 30. November 1903 vom Dampfer Natal, geschrieben nach Aufbruch zu seiner letzten Reise, an seinen Halbbruder Guido Roth.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
12 Rechnung der Arthur and Bond Fine Art Gallery, 1902. Schiffmann liess sich seine Einkäufe von Yokohama nach Hause in die Schweiz schicken.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
13 Globus mit Schifffahrtsrouten aus Schiffmanns Zeit.
14 Heinrich Schiffmanns Gewehr mit eingraviertem Namen.
15 Heinrich Schiffmanns Reisekoffer.
16 Zwei Reiseführer Heinrich Schiffmanns, 1894/1897.
Die «Baedecker» galten zu jener Zeit als zuverlässigste Quelle von Informationen für Reisende.
17 Klickfreudig
Kaum hat Heinrich Schiffmann Reiseluft geschnuppert, kauft er sich 1893 eine komplette Fotoausrüstung.
Fortan trägt er den Fotoapparat auf allen Reisen mit sich. Das Kameragehäuse lässt sich für den Transport
wie ein Blasebalg praktisch zusammenfalten, aber die zehn Kilo Gewicht muss jemand schleppen!
Schiffmann steigt mit seiner Ausrüstung auf Gipfel, fährt übers Meer und fotografiert all seine Stationen. Reisetagebücher sind in; Schiffmann knipst lieber.
Die meisten seiner Bilder zeigen Küsten und Hafenstädte (denn weit ins Hinterland wagt er sich eher selten), aber auch Schiffpassagiere und die Besatzung auf See. Nicht alle Fotos der Sammlung schiesst Schiffmann selbst: Er peppt seine Reise-Doku mit exotischen Sujets auf, die professionelle Fotografen den Touristen anbieten.
18 Fotoapparate und Zubehör aus Schiffmanns Fotoausrüstung
1 Stereoskop zum Betrachten von 3D-Bildern
2 Guckkasten zum Betrachten von
Glas-Stereo-Diapositiven
3 Zusammenfaltbare Reisekamera
4 Objektive
19 Schiffmann fotografierte auf seinen Reisen nicht nur selber, sondern kaufte auch Fotografien für Touristen.
1 Gewinnung von Agavensaft in Mexiko. Foto: Waite
2 Schwertransport auf Ceylon (heute Sri Lanka). Foto: Skeen & Co.
3 Teepflückerinnen auf Ceylon (heute Sri Lanka).Foto: Plate & Co.
4 Chinesen beim Spiel. Studioaufnahme, Shanghai, China
5 Schlangenbeschwörer. Studioaufnahme, Colombo, Ceylon (heute Sri Lanka). Foto: Plate & Co.
6 Vier Männer in traditioneller Kleidung. Studioaufnahme, Ceylon (heute Sri Lanka)
7 Mandarin mit Familie, China
8 «Kardigan Princess». Studioaufnahme, Colombo, Ceylon (heute Sri Lanka). Foto: Plate & Co.
20 Eigene Fotografien Heinrich Schiffmanns von seinen Reisen.
1 Blick vom Victoria Peak auf Hongkong.
2 Chinesische Segler in der Bucht von Haiphong (Vietnam), 1902
3 «Chin. Boys»: Auf der Überfahrt von Japan nach San Francisco beobachten europäische Passagiere der 1.Klasse chinesisches Schiffspersonal, 1898.
4 «Ausschiffung einer Dame». Mogador (heute Essaouira), Marokko, 1897
5 An Bord des Dampfers St. Laurent, 1899
6 Auf der Überfahrt von Europa nach Martinique. Passagiere der 3. Klasse begeben sich nach einem Sturm auf Deck, 1899.
7 Vieh auf Deck der Ammon, vor Punta Arenas im äussersten Süden Chiles, 1900
8 Mannschaft der St. Laurent unterwegs in Richtung Südamerika, 1899
9 Matrosen in den Masten der St. Laurent, 1899
10 Der Dampfer St. Laurent. Auf ihm verbringt Schiffmann den ersten Teil seiner Südamerikareise, 1899.
11 Schiffmann an Bord der Ammon auf der Rückreise von Südamerika, 1900
21 Treffsicher
Er mag das Exotische und dokumentiert es mit der Kamera. Und dieses Exotische findet er nicht nur in der Ferne: Schiffmann begeistert sich auch für Schweizer Volksfeste, wie sie die junge Nation im 19.Jahrhundert liebt.
Zu ihnen gehört etwa das Narzissenfest in Montreux, das ab 1897 für sechs Jahrzehnte einen Höhepunkt in den Chroniken der Genferseeregion bildet.
Auch die patriotischsten der patriotischen Feste dürfen bei der Festbegeisterung nicht fehlen: die Schützenfeste. Hier schiesst Schiffmann nicht nur im übertragenen Sinn mit der Kamera, sondern auch ganz echt mit dem Gewehr. Und das offenbar nicht schlecht: zahlreiche Pokale zeugen von seiner Treffsicherheit.
22 Heinrich Schiffmanns Verzeichnis seiner Fotoaufnahmen.
23 1 Narzissenfest in Montreux, 1899
2 Bucht von Ouchy, 1899
3 Quai von Lutry, ca. 1900
4 Mitglieder des Velo Clubs lassen auf einem Ausflug einen Ballon steigen.
24 1 Auf dem Bertol-Gletscher im Wallis, 1895. Schiffmann überquerte den 3311 Meter hohen Col de Bertol zwischen Arolla und Ferpècle samt seiner schweren Fotoausrüstung.
2 Auf dem Ferpècle-Gletscher im Wallis
3 Am Col de Bertol
4 Rast in Ferpècle
5 Am Col de Bertol
6 Am Col de Bertol
7 Mädchen mit Milcheimern in Evolène, Val d’Hérens, Wallis
25 Jeunesse dorée am Genfersee
Heinrich gefällt es seit Jugendtagen am Genfersee: 1888 besucht er die Handelsschule in Lausanne. An der mondänen Riviera trifft er auf seinesgleichen und das milde Klima tut seinen kranken Lungen gut. 1901 kauft er in Ouchy bei Lausanne die Villa Joli Site. Wahrlich ein schöner Ort: Die Räume schmückt er mit Reiseandenken und Fotografien aus aller Welt. Zwei Äffchen verblüffen die Gäste mit ihren Spässen; doch wenn sich die beiden Jaguare im Garten sonnen, ist Respekt angebracht …
Hin und wieder begibt sich Schiffmann auf Spritztour in seinem Benz Velociped – dem ersten Kleinwagen – oder er braust mit einem seiner Motorboote über den Genfersee. Abends entkorkt er eine Flasche Weisswein oder zwei aus seinem Rebberg in La Tour-de-Peilz.
Solange Schiffmann auf Reisen ist, kümmert sich seine Haushälterin, Madame Richard, um sein Anwesen. Gekauft hat es Schiffmann mit dem grossväterlichen Erbe: Heinrichs Jahre an der Riviera sind kurz, aber golden.
26 1 Heinrich Schiffmanns Villa Joli Site in Ouchy mit Garten und Blick auf den Genfersee, 1902
2 Joli Site, 1903
3 Schiffmanns Haushälterin Madame Richard mit Hund Pluto vor Joli Site, 1903
4 Waffenwand mit Schiffmanns osmanischem Pass in Joli Site
5 Zwei Jaguare im Garten von Joli Site
6 Schiffmann lädt zur Kostümparty in Ouchy
7 Äffchen beim Spielen im Garten von Joli Site
8 Schiffmanns Motorboot Romeo in der Bucht von Ouchy
9 Schiffmann in seinem Benz Velociped, 1895. Das Auto konnte 20 Stundenkilometer schnell fahren.
27 Tod in Ouchy
Schiffmann stirbt 32-jährig an Malaria
Seine letzte grosse Reise führte Heinrich Schiffmann 1904 auf die französische Insel La Réunion im Indischen Ozean. Dort steckte sich der bereits Tuberkulosekranke zusätzlich mit Malaria an. Ausserdem starb seine Schwester; die traurige Nachricht erschütterte Heinrich sehr. Kuraufenthalte an der Côte d’Azur halfen nicht mehr: Im Mai starb Schiffmann in seiner Villa am Genfersee.
28 Brief vom Februar 1904 an Stiefvater Ferdinand Roth.
Nach der Rückkehr von seiner letzten Reise schrieb der todkranke Schiffmann aus dem Kurort Hyères, dass er auf La Réunion schwer an Malaria erkrankt sei und die Reise habe abbrechen müssen.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
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31 Heinrich Schiffmanns Testament vom 25. Mai 1904.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
32 Fotoalbum mit Porträts von Heinrich Schiffmann und seiner Verwandten.
Leihgabe Roth-Stiftung Burgdorf
33 Der Volksbildung vermacht
Wenige Stunden vor seinem Tod am 25. Mai 1904 und schon zu schwach, um selber zu schreiben, diktiert Heinrich Schiffmann sein Testament. Der Kellermeister und der Hilfsgärtner zeichnen an seiner Statt.
Schiffmann vermacht einen Grossteil seines Erbes den Bediensteten und gemeinnützigen Organisationen. Seine Objektesammlung aber geht nach Burgdorf – an das Gymnasium, das er einst selber besucht hat.
Damit das Gymnasium dieses Erbe annehmen kann, muss Schiffmanns Stiefvater Ferdinand Roth helfen: Er berappt den Transport und die Erbschaftssteuer. Die mehr als 500 Objekte bilden den Grundstock für das Museum für Völkerkunde, das im Mai 1909 am Kirchbühl seine Tore öffnet. Heute gehören sie als ethnologische Sammlung zum Museum Schloss Burgdorf.
34 Diese Dias mit beliebten Touristensujets kaufte Schiffmann auf seinen Weltreisen 1897/98 und 1902 in Japan.
1 Mädchen im Garten von Tokio, Studioaufnahme
2 Mädchen in Winterkleidung, Studioaufnahme
3 Tätowierter Mann, Studioaufnahme
4 Yoshiwara girls in cage. Yoshiwara war ein bekanntes Vergnügungsviertel in Tokio. Prostituierte stellten sich in einem Bordell hinter Stäben zur Schau, um Freier anzulocken.
5 Schlafräume, Studioaufnahme
6 Pus-Pus-Fahrt bei schlechtem Wetter, Studioaufnahme
7 Teearbeiterinnen
8 Farmer mit Reisstroh
9 Seidenspinnerei, Tokio
10 Ringkämpfer, Nagasaki. An den Hüten sind die westlichen Touristinnen und Touristen im Publikum zu erkennen.