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0 Leben und Arbeiten
Schloss und Stadt Burgdorf haben ihren Ursprung im Mittelalter: Adelige Herrscher kontrollierten von der Burg aus Fluss und Strasse. Um 1200 gründeten die Herzöge von Zähringen die Stadt und bauten die Burg zum herrschaftlichen Schloss aus.
1218 übernahmen die Grafen von Kyburg deren Besitz.
1383 gingen die Kyburger Konkurs und verkauften Burgdorf: Nun residierte bis 1798 ein Berner Schultheiss auf dem Schloss. Im 19.Jahrhundert war Burgdorf das liberale Herz des Kantons Bern und zog viele fortschrittlich Gesinnte an. Mit der Eisenbahn blühten Gewerbe und Industrie auf. Heute ist die Stadt ein regionales Zentrum.
Die hier gezeigten Objekte gehören zur Sammlung Rittersaalverein.
1 Bewegung und Begegnung
Zukunftsweisende Mobilitätsformen in Burgdorf
1985 fuhren 73 Solarfahrzeuge vom Bodensee nach Genf: Das war die «Tour de Sol», die der Oberburger Unternehmer Josef Jenni mitbegründete – das weltweit erste derartige Rennen für Fahrzeuge, die mit einem Solarantrieb fahren.
Dass schnelles Vorwärtskommen auch ohne Auto geht, beweisen Elektrovelos seit den 1990er Jahren. In der Schweiz gehörte die Firma BKTech aus Burgdorf zu den Pionieren: Sie entwickelte den «Flyer».
1996 richtete Burgdorf als erste Schweizer Stadt mit der «Flanierzone» eine Begegnungszone ein, in der zu Fuss Gehende Vortritt haben und Autos nur mit Tempo 20 fahren dürfen. Wenige Jahre später änderte die Schweiz das Verkehrsrecht und viele andere Städte folgten Burgdorfs Vorbild.
2 Flanierzonen-Stele aus Eisenblech, Bahnhofquartier von Burgdorf, 2002.
3 Elektrovelo «Flyer Classic» der Firma BKTech AG, 1995.
Private Leihgabe
4 Wanderpokal der Tour de Sol.
Die Frauen erhielten einen eigenen Pokal. Die Gewinnerin Renate Jenni von 1985 war einzige Teilnehmerin. Insgesamt belegte sie den achten Platz.
Leihgabe Jenni Energietechnik AG
5 Die «Schweizer Illustrierte» berichtete am 1. Juli 1985 über das erste Solarfahrzeugrennen der Welt.
Aus Burgdorf und Oberburg waren vier Teams am Start.
6 Von wegen vergilbt!
Neue Tapeten für alte Wände – neue Nutzung für altes Schloss
Auf Schloss Burgdorf kann man auch schlafen: Seit 2020 befindet sich in Teilen des Palas, der Halle und des ehemaligen Kornhauses eine Jugendherberge. Die Gästezimmer sind mit neuer Tapete ausgekleidet, die vom Geschmack des 18.Jahrhunderts inspiriert ist. Ihre Motive stammen von Schlossräumen und Objekten in der Ausstellung. Wer das Museum besucht hat und in der Jugendherberge übernachtet, kann vor dem Einschlafen noch einmal auf der Tapete durchs Schloss wandeln.
7 Tapetenreste Jugendherberge Schloss Burgdorf, 2020. Design: Groenlandbasel, Visuelle Gestaltung, Basel.
8 Hut der Stadtpolizei Burgdorf, bis Ende 2009
in Gebrauch. Bis 2009 hatte Burgdorf eine eigene Stadtpolizei. Seither sorgt die Kantonspolizei für Recht und Ordnung.
Handschellen der Stadtpolizei Burgdorf, bis Ende 2009 in Gebrauch. 2012 verliess das Regionalgefängnis das Schloss. Das neue Gefängnis befindet sich an der Kirchbergstrasse.
Siegelstempel des Regierungsstatthalteramts Burgdorf, bis Ende 2009 in Gebrauch. Das Statthalteramt hatte seinen Sitz bis Ende 2009 auf Schloss Burgdorf; nach der Verwaltungsreform befindet es sich in Langnau im Emmental.
Türschild des ehemaligen Amtsgerichtssaals auf Schloss Burgdorf. Das Amtsgericht wurde mit der Gerichtsreform 1997 aufgehoben. 2012 verliess das Regionalgericht das Schloss und bezog einen neuen Standort an der Kirchbergstrasse.
9 Modell der Holzplastik «Bubele» von Bernhard Luginbühl, die er 2005 auf der Schützenmatte verbrannte. Seit 2004 stehen die Plastiken des Emmentaler Bildhauers im alten Schlachthaus.
Leihgabe Museum Bernhard Luginbühl
Video mit Ausschnitten aus «Bernhard Luginbühl Brandfiguren» von Brutus Luginbühl, 1999 und 2007.
5 Min.
10 Vom Käse zur Kunst
Das Museum Franz Gertsch
Der Künstler Franz Gertsch kam dank einem Burgdorfer Mäzen zu einem Museum zu Lebzeiten: 1998 organisierte der Galerist Maxe Sommer im Atelier des Künstlers ein Treffen zwischen Gertsch und dem Unternehmer Willy Michel. Die fotorealistischen Gemälde beeindruckten Michel so sehr, dass er beschloss, dem Künstler ein Museum zu bauen.
Platz dafür gab es auf dem Areal der Milka Käse AG
mitten in der Stadt. In enger Zusammenarbeit mit Franz Gertsch entwarfen die Schweizer Architekten Hansueli Jörg und Martin Sturm auf die Werke abgestimmte Ausstellungsräume. Seit 2002 zeigt das Museum Werke von Franz Gertsch sowie zeitgenössische Kunst.
11 Modell 1:100 des Museums Franz Gertsch der Architekten Hansueli Jörg und Martin Sturm, 2020.
12 Pin «Courage», 2001.
Eine Bar, die als Treffpunkt der Rechtsextremen galt, eine rassistische Rockband, Schlägereien: Rechtsextremismus und Burgdorf wurden oft in einem Atemzug genannt. Um gegen den Rechtsextremismus ein Zeichen zu setzen, lancierte der Burgdorfer Gemeinderat 2001 die Kampagne «Courage: Für Menschen – gegen Gewalt».
Private Leihgabe
13 Von der Bieridee zum Festival
Die Burgdorfer Krimitage
Im Mai 1993 spintisierte ein Burgdorfer Freundeskreis
am Stammtisch darüber, ein Festival auf die Beine zu stellen, das die gemeinsame Leidenschaft einem
breiten Publikum näher bringt: die Kriminal-Literatur.
Die Krimifans machten sich mit Herzblut ans Organisieren. 1994 fanden die ersten Krimitage im kleinen Kreis statt. Seither zieht es alle zwei Jahre Hunderte nach Burgdorf, um die Grossen der Kriminalliteratur live zu erleben.
14 An den Burgdorfer Krimitagen präsentierte Romane; teilweise mit dem Burgdorfer Krimipreis ausgezeichnet.
15 Tasche des Hauslieferdienstes, 1997.
1997 entstand in Burgdorf der erste Hauslieferdienst der Schweiz. Seither liefern Langzeitarbeitslose Einkäufe mit Elektrovelos nach Hause.
Private Leihgabe
16 Kampf den bösen fremden Mächten!
Die Geheimtruppe P-26
Unweit der Emme bei Oberburg befand sich im Kalten Krieg die Kommandozentrale einer verschwörerischen Truppe der Schweizer Armee: Die P-26 bildete im Berner Oberland 400 Männer aus, um im Falle einer kommunistischen Invasion Widerstand zu leisten, Nachrichten zu übermitteln, Sabotageakte durchzuführen und Propaganda zu verbreiten.
Wenn die P-26-Mitglieder tote Briefkästen anlegten und
mit Geheimtinte schrieben, war es fast wie in der Pfadi. Kleine Zellen von Widerstandskämpfern überzogen das Land. Aus Sicherheitsgründen kannten sich die Mitglieder kaum. Bei ihren Treffen tarnten sie sich mit Gesichtsmasken. 1990 entlarvte eine parlamentarische Kommission die P-26. Der Bundesrat löste die illegale Sondertruppe auf.
17 Modell 1:50 des Hauses Lochbach 4 auf dem Gelände des Armeemotorfahrzeugparks Burgdorf. Hier befand sich die Kommandozentrale der Geheimarmee P-26.
18 Tarnscheinwerfer eines Fahrzeugs vom Armeemotorfahrzeugpark Burgdorf, 1990.
19 Kunststadt Burgdorf
Galerien und Kunsträume
Burgdorf hatte mit der «Galerie Bertram» bereits 1957 eine Galerie – aussergewöhnlich für eine Kleinstadt. In den 1980er Jahren wuchs eine lebendige Galerienszene: Die Galerien «H», «ist» und «Esther Münger» sowie der «Kunstraum» und die «Kunsthalle» öffneten ihre Türen dem interessierten Publikum.
Jeder dieser Ausstellungsorte spezialisierte sich auf einen Schwerpunkt zeitgenössischer Schweizer Kunst. Um die Jahrtausendwende fehlte der Nachwuchs und eine Burgdorfer Galerie nach der anderen schloss. Geblieben ist die «Fabrik» an der Lyssachstrasse, wo seit 1985 Kunstateliers bestehen.
20 Gipsabgüsse von Obst und Gemüse, vergoldet, von Verena Welten, 1996. Sie wirkt in einem der zehn Kunstateliers in der «Fabrik» an der Lyssachstrasse.
Leihgabe Stadt Burgdorf
21 Objekt mit dem Titel «Flächen» aus der Serie «Gefässe» des Burgdorfer Malers und Zeichners Andreas Althaus, Holz und Acryl, 1988.
Leihgabe Stadt Burgdorf
22 Ein Burgdorfer Literaturskandal
Am 17. Januar 1967 laden fünf junge Burgdorfer zu einer Lesung mit dem Schriftsteller Guido Bachmann. Sie wollen experimenteller Literatur eine Plattform bieten. Hauptorganisator ist der Gymnasiast Martin Schwander.
Guido Bachmann liest aus seinem Roman «Gilgamesch», in dem es um die Liebe zwischen zwei jungen Männern geht. Trotz des damals heiklen Themas Homosexualität wird das Buch zunächst kaum beachtet.
Doch die Lesung erregt die Aufmerksamkeit des Gymnasium-Rektors. Er meint: «Eine Schweinerei!» Alle Gymnasiasten, die an der Lesung waren, müssen beim Rektor vorsprechen. Schwander fliegt von der Schule.
Die Presse empört sich über das «spiessige» Burgdorf. Der Jugendanwalt stellt das Verfahren ein; Martin Schwander darf die Schule wieder besuchen.
23 Das Buch zum Burgdorfer Literaturskandal von 1967. Als Lesezeichen benutzte der Jugendanwalt die zerschnittene Strafanzeige.
Leihgabe von Martin Schwander
Kiosk-Aushang vom 9. Februar 1967.
Viele Burgdorferinnen und Burgdorfer erfuhren durch den «Blick» vom Vorfall am Gymnasium.
24 Dächer wie Kissen
Sein gewölbtes Kopfkissen bringt Heinz Isler auf die Idee: Der Burgdorfer Ingenieur sucht 1955 nach einer neuen Dachform für den Saal des Hotels Kreuz in Langenthal. Isler tüftelt mit nassem, gefrorenem Jute-Gewebe, das sich aufgehängt und umgedreht zu einer Schale formt.
Fortan deckt Isler Hallen mit Buckelschalen aus Beton; das Material ist nur wenige Zentimeter dick. Islers bekannteste Dächer sind ein Firmenbau in Zuchwil von 1962, die Autobahnraststätte Deitingen-Süd von 1968 und das Fliegermuseum Dübendorf von 1987.
25 Rippenmodell von Heinz Isler für das Fliegermuseum Dübendorf, Holz und Gips, um 1980.
Leihgabe ETH Zürich
26 Franz Schnyders Regie-Stuhl, 1960er Jahre.
Video mit Ausschnitten aus Schnyders Filmen. 9 Min. 18 Sek.
27 Ein Regisseur aus Burgdorf
Franz Schnyder (1910–1993)
Franz Schnyder besuchte in den 1920er Jahren in Burgdorf das Gymnasium und studierte in Deutschland Schauspiel. Er spielte an verschiedenen Theatern in Hitler-Deutschland und führte auch Regie. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ging er als Regisseur ans Schauspielhaus Zürich.
Schnyder war einer der wichtigsten Schweizer Regisseure: 1941 drehte er seinen ersten Film, «Gilberte de Courgenay». Seine Gotthelf-Verfilmungen «Uli der Knecht» (1954) und «Uli der Pächter» (1955) wurden Kassenschlager. Mit «Heidi und Peter» (1955) drehte Schnyder den ersten Schweizer Spielfilm in Farbe.
28 Burgdorf verteidigt sich selbst
Der Zweite Weltkrieg tobt seit einem halben Jahr, als der Stadtrat von Burgdorf im Mai 1940 beschliesst, eine eigene Fliegerabwehr aufzubauen. Dafür braucht er acht 20-Millimeter-Kanonen der Maschinenfabrik Oerlikon.
Die Flab-Kanonen kosten die Stadt 352 500 Franken, weitere 568 000 Franken übernimmt die Eidgenossenschaft. Der Stadtrat ruft alle Steuerpflichtigen auf, einen Beitrag für die Verteidigung Burgdorfs zu spenden.
Das nötige Geld kommt schnell zusammen, und Burgdorf richtet seine Orts-Fliegerabwehr ein. Hans-Ueli Aebi, Mitbesitzer der Landmaschinenfabrik Aebi, ist ihr Kommandant.
29 Plan der Flab-Kanonen der Maschinenfabrik Oerlikon für die Stadt Burgdorf, 1940.
Standorte der Flab-Geschütze rund um Burgdorf, 1940.
Spendenbestätigung für die Orts-Fliegerabwehr der Burgdorfer Stadtregierung, 1940.
30 Neues Bauen
Moderne Architektur in Burgdorf
Architektur und Städtebau erneuern: Das war das Ziel des Neuen Bauens, einer Bewegung der frühen Moderne von den 1910er bis in die 1930er Jahre. «Neue» Bauten folgten klaren Formen; Glas, Stahl, Backstein und Beton waren die bevorzugten Materialien.
Zwei Zeugen des Neuen Bauens liegen in Burgdorf unmittelbar nebeneinander: Das Freibad an der Emme plante Stadtbaumeister Friedrich Locher 1929. Parallel zum Schwimmbecken – und zur Emme – baute Ernst Bützberger 1932 die Markthalle. Dem Betonbau stimmte die Stadt erst zu, als sie sah, dass die Markthalle so billiger würde als ein Bau aus Holz.
31 Postkarte vom Freibad Burgdorf, 1929.
32 Schwimmgurt aus Kork, 1940er Jahre. Mit dieser Schwimmhilfe lernten Burgdorfer Kinder im Freibad schwimmen.
Private Leihgabe
33 Postkarte mit der Markthalle Burgdorf, 1932.
34 Postkarte mit der Waldeckbrücke von Max Schnyder, 1913. Ein Hochwasser riss die alte, eiserne Waldeckbrücke weg. Der Burgdorfer Ingenieur Max Schnyder entwarf die neue Eisenbetonbrücke, die beim Schwimmbad über die Emme führt.
35 Solätte!
Die Gassen der Oberstadt sind festlich beflaggt, Marschmusik schmettert und jetzt nähert sich der Umzug: Am letzten Montagmorgen im Juni marschieren sämtliche Burgdorfer Schulkinder durch die Stadt. Vorneweg ziehen die Kadetten, dann die Mädchen in weissen Röcken und mit Blumen im Haar, die Knaben in weissen Hemden und schwarzen Hosen.
In der Kirche erhalten die Erstklässler den Solätte-Taler; die 9.Klassen werden aus der Schulpflicht verabschiedet. Aufs Glockengeläut folgt der Nachmittagsumzug. Danach geht es hinaus auf die Schützenmatte zu Spiel, Sport, Tanzaufführungen und einem Imbiss. Ganz Burgdorf feiert die Nacht durch.
Pfarrer Johann Rudolf Gruner hat die Solätte 1729 als Fest für die Burgdorfer Schuljugend begründet, als Ersatz für die Examensfeier. «Solätte» steht für «Solennität» – lateinisch für «Feierlichkeit».
36 Kadettenmütze und Kornett, nach 1930. Beides kam an der Solätte zum Einsatz.
Solätte-Röckli, um 1930.
Goldene Erinnerungsmedaille an den Solättengründer Johann Rudolf Gruner, 1925.
Zur 200. Solätte liess die Stadt Burgdorf 1930 nach einem Entwurf von Architekt Ernst Bechstein eine silberne Medaille prägen.
37 Die Urania-Sternwarte mit ihrem Stifter Conrad Kindlimann; im Hintergrund das neue Gymnasium, um 1920.
Der Fabrikant Kindlimann stiftete eine Sternwarte für das Gymnasium Burgdorf. Der Kuppelbau öffnete 1920; er war ausgerüstet mit einem Linsenfernrohr der Firma Zeiss und einer Anlage zum Empfang des Zeitzeichens aus Paris.
38 Newton-Spiegelteleskop, Ende 19.Jahrhundert.
Mit diesem Teleskop beobachtete der Burgdorfer Fabrikant Conrad Kindlimann 1858 den Donati-Kometen. Dieser grosse Komet faszinierte den damals Neunjährigen.
39 Postkarte zur Neueröffnung des Gymnasiums Burgdorf, 1904.
40 Streik!
Vom 12. bis 14. November 1918 streikten in der Schweiz 250 000 Personen; das war ein Viertel aller Angestellten, vorab Personal des öffentlichen Verkehrs und Arbeitende aus der Metall- und Maschinenindustrie.
Das Oltener Aktionskomitee wollte mit dem Streik Verbesserungen für die Arbeiterschaft erzwingen. Vieles, was es forderte, ist heute selbstverständlich: das Frauenstimmrecht, die 48-Stunden-Woche, die AHV. Aus Angst, dass die Armee eingreife, fügte sich das Komitee dem bundesrätlichen Befehl und brach den Streik ab.
Auch in Burgdorf streikten Arbeiterinnen und Arbeiter – und es gab einige Streikbrecher: Im «Burgdorfer Tagblatt» protestierten sie gegen den «frivol und ohne unser Wissen beschlossenen Streik».
41 «Burgdorfer Tagblatt» vom 14. November 1918.
Lucifer: Karikatur der Streikführer, aus: «Der Generalstreik-Prozess in Karikatur», Olten 1919.
Private Leihgabe
42 Postkarte mit dem Bahnhof Burgdorf, 1899.
Die Eröffnung der Bahnlinie Olten-Bern (1857) sowie der Linien nach Solothurn (1875), Langnau (1881) und Thun (1899) machten Burgdorf zum Bahnknotenpunkt. Fabriken profitierten vom Eisenbahnanschluss; die Stadt wuchs.
43 Modell einer Schlepptenderlokomotive B 3/4 von 1905. Die Stadt kämpfte 1852 dafür, dass die Centralbahn ihre Linie von Olten nach Bern über Burgdorf führte. Dafür brauchte es einen Tunnel durch den Gyrisberg. Um sich an den Mehrkosten dieser Strecke zu beteiligen, erhob die Stadt Sondersteuern. Die Burgergemeinde stellte das Land fürs Schienentrasse zur Verfügung.
Modell eines Personenwagens C4ü, um 1900.
Solche Wagen verkehrten zuerst auf der Gotthardstrecke und nach der Gründung der SBB 1902 auf deren ganzem Netz.
44 Voltmeter der Firma Trüb, Täuber & Co. aus dem Technikum, 1924.
45 Postkarte zur Eröffnung des Kantonalen Technikums auf dem Gsteig, 1892.
Der Kanton Bern wollte eine technische Schule gründen. Bern, Biel und Burgdorf stritten sich im März 1891 um den Standort; der Grosse Rat wählte Burgdorf.
130 Jahre später wird das Technikum, die heutige Fachhochschule, nach Biel verlegt. Die Technische Fachschule kommt nach Burgdorf und wird mit dem Gymnasium auf dem Gsteig den neuen «Bildungscampus Burgdorf» bilden. Am Standort Tiergarten entsteht ein «TecLab», das Angebote zu Cleantech und zur Nachwuchsförderung für technische Berufe vereint.
46 Mützen und Couleurband einer Burgdorfer Studentenverbindung. 1892 gründeten Technikum-Studenten die erste Verbindung, die Amicitia Burgdorf.
47 Aktie der Casinogesellschaft in Burgdorf, 1873.
Das Casino Theater Burgdorf ist das älteste Theater im Kanton Bern. 1874 fand die erste Aufführung statt; 2019 konnte das Theater nach einer Gesamtsanierung in neuem Glanz wieder eröffnet werden.
48 Französischer Dragoner-Helm aus dem Deutsch- Französischen Krieg 1870/1871.
1871 kamen 1200 französische Soldaten der Bourbaki-Armee nach Burgdorf. 132 Mann wurden für einen Monat im Schloss einquartiert.
49 Inferno
Der Stadtbrand von 1865
In der heissen Sommernacht vom 21. Juli 1865 brannte ein Grossteil der Burgdorfer Oberstadt ab: Die westliche Schmiedengasse, das Beginengässli, die Häuser am oberen Kirchbühl und der Turmhelm der Stadtkirche standen in Flammen. Löschen konnte den Brand erst das Stadtberner Brandcorps, das per Eisenbahn anreiste. 130 Familien verloren ihr Obdach.
Der Brand von 1865 war nicht der erste in Burgdorf: In Zeiten, als viele Häuser aus Holz gebaut waren, in Herden und Öfen Feuer brannten und Flammen Licht gaben, genügte eine Unachtsamkeit, um einen Brand auszulösen. Am schlimmsten wütete das Feuer von 1715: Dieser Brand zerstörte einen Drittel aller Wohnbauten.
50 Geschmolzene Münzen aus einer Brandruine am Kirchbühl vom Stadtbrand 1865.
Fotos vom Stadtbrand 1865. Der Berner Fotograf Adrian Kümmerly verkaufte Brandbilder aus Burgdorf. Der Erlös kam den Brandgeschädigten zugute.
51 Feuerhaken aus Eisen, 19.Jahrhundert.
Mit Feuerhaken an langen Stangen riss man bei Bränden Gebäudeteile herunter, um zu verhindern, dass sich das Feuer ausbreitete.
52 Ein zweifelhafter Held
Er sucht sein Glück, nimmt keine Rücksicht – und fällt schliesslich selber rücksichtslosen Glücksrittern zum Opfer. Johann August Sutter handelt in Burgdorf mit Tuch, geht pleite und flüchtet 1834 vor seinen Gläubigern nach Amerika. In Kalifornien gründet Sutter eine private Kolonie. Seine Schulden zahlt er ab, indem er Menschenhandel treibt: Er spezialisiert sich auf den Verkauf indianischer Kinder.
1848 findet sein Vorarbeiter beim Bau eines Sägewerks Gold. Es ist der Startschuss zum kalifornischen Goldrausch. Goldsucher kommen in Massen und zerstören Sutters Gut. Vergeblich kämpft er um eine Entschädigung für das Land, das er als seinen rechtmässigen Besitz betrachtet.
In Nordamerika wie in der Schweiz wird Sutter zum Mythos: Seine Geschichte inspiriert Romanciers und Filmemacher; seine Verbrechen wischt man unter den Teppich.
53 Statuette nach dem Sutter-Denkmal in Sacramento. 1987 errichtete die Auslandschweizergemeinde in Sacramento ein Denkmal für Sutter – mit Unterstützung aus der Schweiz. 2020 wurde die Statue im Rahmen der «Black Lives Matter»-Bewegung entfernt.
Sammlung Goldkammer
54 Rechnung von Johann August Sutter an seinen Kunden Carl Langlois, Burgdorf 1834.
Weil Sutter seine Schulden nicht bezahlen konnte, flüchtete er 1834 nach Amerika und überliess seine Familie ihrem Schicksal.
Sammlung Goldkammer
55 Liberale Hochburg
Schnells «Berner Volksfreund»
Die Brüder Johann Ludwig, Karl und Hans Schnell aus Burgdorf waren liberal und kämpften für ihre Gesinnung. Was nützte den jungen Männern in den Landstädten Bildung und Reichtum, wenn sie nicht mitbestimmen durften? Die Schnells kritisierten in auswärtigen Zeitungen die Berner Regierung und organisierten Volksversammlungen.
Anfang 1831 dankte die patrizische Regierung ab und die Berner stimmten einer liberalen Kantonsverfassung zu. Berner Bürger konnten nun wohnen, arbeiten, veröffentlichen, lesen und glauben, wo und wie es ihnen beliebte. Die Brüder Schnell gaben eine eigene Zeitung heraus: den «Berner Volksfreund».
56 Tintengeschirr aus Holz, Glas und Messing, erste Hälfte 19.Jahrhundert.
Mikroskop, aus dem Besitz von Hans Schnell,
erste Hälfte 19.Jahrhundert. Schnell war Professor der Naturwissenschaften in Bern, Apotheker und Fabrikant in Burgdorf und ein führender Kopf der liberalen Bewegung des Kantons Bern.
«Berner Volksfreund» vom 27.Oktober 1831. Carl Langlois druckte die Zeitung am Alten Markt in Burgdorf ab der Nummer 65. Franz Jakob Schnell, ein Cousin der drei Schnell-Brüder, finanzierte die Druckerei mit.
57 Visitenkarte von Johann Rudolf Aeschlimann in Burgdorf, um 1824.
Als «Salzfaktor» hatte Aeschlimann das Monopol für den Handel mit Salz gepachtet.
58 Gestempelter Kornsack von Johann Rudolf Aeschlimann, 1824.
Aeschlimann verkaufte an der Schmiedengasse 9 Salz und betrieb ein internationales Handelsgeschäft.
59 Holzstempel, um Säcke zu bedrucken, mit dem Wappenbild der Familie Aeschlimann: Mann mit Fischernetz und Fisch (Äsche), Ende 18.Jahrhundert.
60 Ein Sozialwerk für Burgdorf
Die Gemeinnützige Gesellschaft
Engagierte Bürger wollten das Leben der Ärmeren verbessern und gründeten 1821 die Gemeinnützige Gesellschaft Burgdorf. Die Gesellschaft betrieb eine Sparkasse, pflegte Arme, half Kranken und förderte die Schulen in einer Zeit, als staatliche Altersvorsorge und Krankenkassen fehlten.
Die «Gemeinnützige» gibt es noch immer, doch ihre Aufgaben haben sich verändert. Heute unterstützt sie Jugendliche in Ausbildung mit Stipendien. Ausserdem fördert sie soziale Aktivitäten und die Kultur in Burgdorf.
61 Cassa-Buch der Sparkasse der Gemeinnützigen Gesellschaft Burgdorf, 1821.
62 Turbulente Zeiten
Die Helvetische Republik
1798 marschierten die Franzosen in die Schweiz ein. Aus den Ruinen der alten Eidgenossenschaft schufen sie einen neuen Staat: Die Helvetische Republik. Sie war nach Frankreichs Vorbild zentralistisch organisiert. Alles war neu: Verfassung, Regierung und Behörden.
In Burgdorf räumte der Berner Schultheiss das Schloss. Angehende Volksschullehrer und Schulkinder zogen ins neue Erziehungsinstitut von Johann Heinrich Pestalozzi ein. Gäste aus ganz Europa reisten nach Burgdorf, um Pestalozzi und seine neuartige Schule zu besuchen.
Doch schon 1803 war die Helvetische Republik an ihrem Ende. Die alten Eliten kehrten an die Macht zurück. Pestalozzis Institut musste einem Oberamtmann Platz machen, der die Regierung von Bern im Amtsbezirk Burgdorf vertrat.
63 Gipsbüste von Johann Heinrich Pestalozzi, um 1850. 1799 unterrichtete Pestalozzi in Burgdorf.
Mit «Kopf, Herz und Hand» sollten die Kinder lernen. 1800 bis 1804 leitete er auf dem Schloss die Ausbildung für Volksschullehrer und führte eine Musterschule.
64 Schreiben des Regierungsstatthalters des Kantons Bern vom 19. August 1799 an den Unterstatthalter des Distrikts Burgdorf, einen 14-jährigen Deserteur aus Ersigen betreffend.
4-Franken-Münze der Helvetischen Republik, 1801. 1798 führte die Schweiz eine neue Währung ein:
1 Franken = 10 Batzen = 100 Rappen.
Schreiben des französischen Brigadegenerals Ruby an den Bürger Schnell wegen desertierter Gefangener in Utzenstorf, 1799.
40-Batzen-Münze, 1798.
Um den Zahlungsverkehr zu erleichtern, prägte man die neuen Münzen entsprechend dem Wert älterer. Diese Münze war gleich viel wert wie ein silberner Neutaler.
65 Grossweibelstab aus Ebenholz und vergoldetem Silber, 1751 vom Gürtler Johann Im Hoof angefertigt.
Der städtische Grossweibel amtete als Ratsdiener bei Wahlen und Gerichtsverhandlungen und übernahm polizeiliche Aufgaben.
66 Militärtrommel mit Burgdorfer Wappen, 18. oder 19.Jahrhundert. Der städtische Ausrufer verkündete mit der Trommel amtliche Mitteilungen.
67 Barocke Pracht
Das alte Rathaus ist baufällig; Burgdorf will Besseres. 1745 reisst man das 400-jährige Haus beim Untertor ab und baut an seiner Stelle ein barockes Stadtpalais. Das Baumaterial kommt aus den Steinbrüchen der Region und aus den Stadtwäldern.
Im neuen Stadthaus tagt der Rat. Burgdorfs Meinungsmacher treffen sich hier in der Wirtsstube, und Auswärtige logieren in den vornehmen Gästezimmern. Auch die Bibliothek und die Lesegesellschaft sind zeitweise im Stadthaus beheimatet.
Im 19.Jahrhundert wird das Stadthaus zum Lokal des liberalen Kreises um die Brüder Schnell. Sie entwerfen hier die erste demokratische Verfassung des Kantons Bern.
68 Nicht realisierter Projektplan für ein neues Stadthaus, um 1745.
Original bei der Burgergemeinde Burgdorf
69 Hühnersuppe für Heldinnen
1388 zieht eine räuberische Horde aus dem Aargau mitten in der Nacht gegen die Stadt Burgdorf. Bei Bickigen, wenige Kilometer nördlich der Stadt, vertreiben die Burgdorfer die Angreifer. Mit dabei: bewaffnete Burgdorferinnen. Zum Dank spendiert die Berner Obrigkeit den Frauen jedes Jahr eine Hühnersuppe.
Noch 1665 verkündet der Burgdorfer Schultheiss, man solle «den hiesigen Wyberen die Hühner nach altem Brauch am Tag nach dem neüwen Jahr zukommen lassen». Doch 1736 will die Schultheissin den Brauch beenden. Darauf setzen die Burgerinnen eine Supplikation auf – was keine Suppe ist, sondern eine Bittschrift an den Rat in Bern. Die Ratsherren sorgen dafür, dass die Burgdorferinnen auch künftig Hühner bekommen. Kochen müssen sie die Suppe selber. Der «alte Brauch» währt bis 1798. Heute wird im Februar gekochte Hühnersuppe ausgeschenkt.
70 Suppenschüssel aus Zinn mit Griffen und Knauf aus Holz, aus einem reichen Burgdorfer Haushalt, um 1750.
71 Grün glasiertes Handwaschbecken von Johannes Vögeli, 1696. Der Hafnermeister hatte seine Werkstatt in der Unterstadt.
Weiss glasierte Suppenschüssel von Emanuel Aeschlimann, um 1775. Der Hafnermeister hatte seine Werkstatt in der Oberstadt. Die Schüssel ist ungewöhnlich gross und reich verziert.
72 Die gestohlene Leiche
Johannes Kupferschmid ist Burgdorfs erster Arzt mit Studium. Als der Dachdecker Daniel Osti 1729 bei Reparaturarbeiten vom Burgdorfer Rathausdach stürzt und stirbt, eilt Doktor Kupferschmid herbei. Der Arzt braucht eine Leiche: Er will den menschlichen Körper erforschen und schafft den Verunglückten heimlich beiseite.
In seinem Gartenpavillon oben am Kreuzgraben seziert Kupferschmid vor Studenten den toten Dachdecker. Unterdessen beerdigt Pfarrer Gruner nichts ahnend einen Sarg voller Steine. Als der Frevel auffliegt, zeigt Gruner den Doktor an.
Bald verbreiten Bänkelsänger den Skandal in der Stadt. Kupferschmid muss eine Busse zahlen, sein Ruf ist ramponiert und er wandert nach Solothurn aus.
73 Ofenkacheln mit Ansichten Burgdorfs, um 1750.
Das Haus neben der Stadtkirche ist das Pfarrhaus, in dem zu dieser Zeit Pfarrer Gruner wohnte. Im Garten von Doktor Kupferschmid am Kreuzgraben stehen kleine Gebäude. Dort hatte er die Leiche seziert.
74 Auswahl von Objekten, die in der Wunderkammer der Stadtbibliothek zu bestaunen waren.
75 Burgdorfs erste Wunderkammer
Die Stadtbibliothek
Die Stadtbibliothek blickt auf eine lange Geschichte zurück: 1729 half der Stadtpfarrer Johann Rudolf Gruner in Burgdorf eine öffentliche Bibliothek zu gründen – eine der ersten im Staat Bern. Gebildete und alle, die etwas auf sich hielten, beschenkten die Bibliothek mit Büchern und Geld, aber auch mit Kuriositäten aller Art.
Im Laufe der Jahre entstand eine Wunderkammer mit Versteinerungen, Mineralien, Antiquitäten und Münzen. Gruner selbst stiftete der Bibliothek 53 Bücher und 15 Raritäten.
76 Zinnkanne von Abraham Leu, 18.Jahrhundert.
Der Burgdorfer Zinngiesser fertigte diese Schützenkanne als Preis für einen städtischen Schiesswettbewerb an.
77 Guss-Tiegel aus Graphit-Ton, vermutlich 18.Jahrhundert. In solchen Tiegeln schmolz man Buntmetalle. Rotgiesser Samuel Dür benutzte diesen Tiegel um 1800 in seiner Werkstatt an der Metzgergasse 6.
78 Sandsteinskulptur von Michael Langhans von Bern, 1716. Diesen Löwen schuf der Bildhauer nach dem Grossbrand von 1715 als neues Hauszeichen für die Gerberzunft an der Metzgergasse.
79 Staat im Staat
Burgdorfs Herrschaftsgebiete
Die Stadt Burgdorf erwarb seit dem ausgehenden Mittelalter Boden und Rechte in neunzehn Dörfern des Oberaargau. Deren adlige Herren waren verarmt und mussten ihren Besitz abstossen. Burgdorf regierte bis 1798 über die Vogteien Grasswil und Lotzwil. Ein Burgdorfer Ratsherr leitete dort die Niedergerichte und zog Bussen zuhanden der Stadtkasse ein.
Bern erlaubte der Stadt Burgdorf, in acht Kirchgemeinden des Emmentals so genannte Ausburger aufzunehmen. Diese Personen wohnten ausserhalb der Stadt, genossen aber gleiche Rechte wie die Stadtbürger. Bern gewährte Burgdorf damit eine einzigartige Selbstverwaltung.
80 Farbscheibe mit vierzehn Mitgliedern des Gerichtskreises von Oberburg, 1591. In der Kirchgemeinde Oberburg durfte Burgdorf Ausburger aufnehmen.
Farbscheibe mit den zwölf Mitgliedern des städtischen Kleinrats und dem Burgdorfer Wappen, 1681. Zwei Ratsherren-Wappen sind verloren gegangen.
Farbscheibe, 1656. Der Burgdorfer Ratsherr Heinrich Stähli stiftete sie für ein Haus in der Vogtei Lotzwil. Lotzwil war Herrschaftsgebiet der Stadt Burgdorf.
81 10-teiliges Muttermass aus Messing für Gewichte, Burgdorf 1664.
Muttermass aus Bronze für Flüssigkeiten, Burgdorf 1663. Burgdorf verwendete vom 14. bis ins 19.Jahrhundert eigene Masseinheiten, die von denen der Stadt Bern etwas abwichen.
82 Reiche Jakobs
Zwei Händler und ihre Häuser
Während der Dreissigjährige Krieg halb Europa verwüstete, kamen um 1630 zwei Burgdorfer Kaufleute zu Wohlstand: Jakob Trechsel (1578–1645) und Jakob Fankhauser (1605–1657) handelten beide mit Leinwand, Eisen und Wein.
Am Kronenplatz liessen sie sich prächtige Häuser bauen. In Trechsels «Ochsen» schmücken heute noch Malereien die Wände und Decken. Im «Grosshaus» der Familie Fankhauser hat sich ein Täferzimmer samt Prunkbuffet erhalten.
83 Türklopfer, um 1630, aus dem Haus «Ochsen» der Familie Trechsel, Burgdorf.
84 Trinkgläser aus Venedig mit weissem Faden im Fuss, um 1700, aus dem Haushalt Fankhauser im «Grosshaus», Burgdorf.
85 Versilberter Siegelstempel des Kapitels Burgdorf, um 1600. Zum Kapitel Burgdorf gehörten rund 25 Kirchgemeinden im Emmental.
86 Schmiedeschlacke, 16. oder 17.Jahrhundert.
Abfälle der Eisenverarbeitung können von Grob- oder Feinschmieden, Nagel- oder Messerschmieden oder auch von Wagnern stammen.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Bronze- oder Kupferblech, vielleicht von einem Kessel, Alter unbestimmt.
Gefässe aus Buntmetall waren wertvoll. Konnte man sie nicht mehr reparieren, schmolz man sie wieder ein.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
87 Burgdorfer Gerichtsstab in Form eines Streitkolbens, Stahl mit Samtgriff, 16.Jahrhundert. Der Richter trug den Stab als Zeichen der Macht bei städtischen Gerichtsversammlungen.
Stadtpfeiferschild mit Burgdorfer Wappen, umgeben von silbervergoldetem Blattwerk, von Goldschmied Bernhard Tillmann aus Bern, 1531. Stadtpfeifer spielten bei militärischen Übungen und an weltlichen und kirchlichen Festen.
88 Schröpfkopf aus Keramik aus dem Siechenhaus in Burgdorf, 16.Jahrhundert.
Setzt man heisse Schröpfköpfe auf die Haut und lässt sie abkühlen, entsteht ein Unterdruck. Dadurch sollen schädliche Säfte aus dem Körper fliessen.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Salbentöpfchen, Irdenware mit grüner Bleiglasur, aus dem Siechenhaus, 16. Jahrhundert.
Das Siechenhaus diente im Spätmittelalter als Heim für die Leprakranken ausserhalb der Stadt.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
89 Gerbereiabfälle aus der Unterstadt: Schädelteile mit Hornzapfen von Rindern, 15. oder 16.Jahrhundert.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
90 Meisterhafte Bildhauerarbeit
Die Stadtkirche von Burgdorf
1490 stand Burgdorfs neue Stadtkirche – ein Riesenbau für die 900 Leute, die damals hier wohnten. Innen war die Kirche erst zwanzig Jahre später fertig. Ihr Glanzstück ist der Lettner – eine Schranke, die das Kirchenschiff vom Altarraum trennt. Zwölf Bildhauer arbeiteten über ein Jahr daran.
Diese spätgotische Stadtkirche ersetzte einen älteren Bau. Die erste Kirche entstand nach der Stadtgründung um 1200. Hier besuchten die Herzöge und die Bevölkerung die Messe. Dennoch galt die Stadtkirche bis 1401 nur als Kapelle und gehörte zur Pfarrkirche St.Georg in Oberburg.
91 Gipsabguss einer so genannten Kreuzblume vom Lettner in der Stadtkirche. Heute ziert der Lettner die Orgelempore hinten im Kirchenschiff. Original aus dem Jahr 1471.
Fensterglasscherben aus der ersten Kirche von Burgdorf, 14. Jahrhundert. Die farbigen Gläser sind mit Schwarzlot bemalt.
92 Belagert und beschossen
Burgdorf wird bernisch
Als den Kyburgern das Geld ausging, überfielen sie Solothurn – und handelten sich damit die Rache Berns ein: 1383 belagerten die Berner Stadt und Schloss Burgdorf 45 Tage lang. Berns Miteidgenossen rückten mit Kanonen an. Schliesslich mussten die Grafen von Kyburg die Herrschaft Burgdorf an Bern verkaufen.
Burgdorf überstand den Krieg unbeschadet und behielt alle alten Rechte – obwohl es aus Treue zu den Kyburgern der viel mächtigeren Stadt Bern den Krieg erklärt hatte. Unter Berner Herrschaft durfte ein Kleinrat von zwölf Burgdorfern innerhalb der Stadt Recht sprechen. Die Urteile dieses Gerichts waren endgültig.
93 Kriegserklärung der Stadt Burgdorf an Bern, Oktober 1382.
Original im Staatsarchiv Bern
94 Bern kauft 1384 die Stadt Burgdorf. Illustration aus der Berner Chronik von Diebold Schilling, 1483.
95 Siegel aus unserer Zeit, hergestellt mit dem Siegelstempel, den das Barfüsserkloster von 1378 bis 1528 benutzte. Auf der Darstellung will Abraham Isaak opfern.
Die Grafen von Kyburg stifteten das Barfüsserkloster. Dieses stand bis zur Burgdorfer Reformation 1528 bei der heutigen Staldenbrücke und beheimatete eine der ersten Druckereien der Schweiz.
Kyburgische Pfennigmünzen.
Links: Eberhard II., 1330/35.
Rechts: Hartmann III., 1360/75.
Diese so genannten Brakteaten aus dünnem Silberblech stammen aus der Münzstätte in Burgdorf.
96 Stadtluft macht frei!
Die Herrschaft der Kyburger
Graf Eberhard II. von Kyburg war Stadtherr von Burgdorf. Am 7. Dezember 1322 übergab er den Burgdorfern eine Urkunde. Der Freiheitsbrief bestätigte ihre bisherigen Rechte und gewährte ihnen neue. Auch die Stadtgrenzen schrieb er fest.
Der Graf brauchte das Wohlwollen der Bevölkerung. So genoss Burgdorf unter den Kyburgern viele Freiheiten: Die Stadt richtete etwa selber bei unter Todesstrafe gestellten Verbrechen. Gleichzeitig war sie ihren Herren gegenüber verpflichtet und stand ihnen 1382 im Krieg gegen Bern bei.
97 Handfeste vom 7. Dezember 1322 (Faksimile). Lateinischer Text auf Pergament. Das Siegel des Ausstellers Eberhard II. von Kyburg fehlt.
Original im Burgerarchiv Burgdorf
98 Gipsabguss des zweiten grossen Stadtsiegels. Umschrift: S CIVIVM DE BVRChTORF, (Siegel der Stadt Burgdorf).
Gebrauch nachgewiesen von 1276 bis 1343.
99 Keine Stadt ohne Handwerk
Funde aus Burgdorfer Werkstätten
Spezialisierte Werkstätten versorgten seit dem Mittelalter die Bevölkerung von Stadt und Umland mit ihren Produkten. In Burgdorf fanden sich Gewerbeabfälle von Knochen, Horn und Geweih. Von den Handwerksbetrieben sind Kämme, Würfel und Ringe von Gebetsschnüren erhalten.
Keramikfunde lassen vermuten, dass es in Burgdorf mehrere Töpfereien gab. Im Schwemmland der Emme, westlich des Schlossbergs, lag seit dem 12. Jahrhundert die Gewerbesiedlung Holzbrunnen.
100 Randscherben von Töpfen aus grauer Irdenware, um 1200. Ältester Keramikfund der Burgdorfer Oberstadt aus einem unter dem Kronenplatz ergrabenen Holzhaus.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Spinnwirtel aus Keramik, 13. bis 15.Jahrhundert, ausgegraben in der Unterstadt. Spinnwirtel dienten als Gewicht beim Spinnen mit Spindeln. Die Wirtel steckten in einem Stab aus Holz. Leichte Wirtel dienten zum Verspinnen von Wolle, schwere für Flachs.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Rand eines Dreibeintopfs, 13. Jahrhundert, gefunden im Schlossgraben.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Scherben von Kochtöpfen und kleinen Kannen, 1.Hälfte 13.Jahrhundert.
Ältester Keramikfund aus der Unterstadt, vermutlich aus Töpfereien in Holzbrunnen.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
101 Fingerring aus Gold, 13. oder 14.Jahrhundert, gefunden in der Unterstadt. Solche Ringe trugen vor allem Bischöfe und Äbte.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Knochenring einer Gebetsschnur, 13. oder 14.Jahrhundert.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Knochenleiste aus dem Mittelalter. Abfallstück aus der Gebetsschnur- oder Knopfproduktion in der Unterstadt.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
Geweihsprosse, um 1200. Die Werkstatt in der Oberstadt produzierte vielleicht Kämme.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
102 Im 12.Jahrhundert gab es unweit der Burg eine Gewerbesiedlung namens Holzbrunnen. Hier fand man diese Wasserrinne. Die Fichte, aus deren Holz sie gemacht ist, wurde 1150 gefällt.
Leihgabe Archäologischer Dienst des Kantons Bern
103 Ur-Burgdorf
Die erste Besiedlung des Felsens
Dort, wo heute die Schlossbesuchenden im Foyer sitzen, lebten und arbeiteten schon vor Jahrtausenden Menschen. 2018 entdeckte der Archäologische Dienst des Kantons Bern zwei Gruben voller Überreste. Das älteste Fundstück stammt aus der Jungsteinzeit und ist 5600 Jahre alt.
Viel später, in der Bronzezeit um 900 vor Christus, stand an dieser Stelle ein Blockhaus mit einem Keller. Ein Brand zerstörte es und Brandschutt füllte den Keller. Darin hat sich einiger Hausrat sehr gut erhalten: Geschirr aus Keramik, Webgewichte und ein Mondhorn. Wozu letzteres gut war? Das wüssten wir auch gern.
104 Mondhorn aus Sandstein, Burgdorfer Schlosshügel, Spätbronzezeit (9.-8. Jh. v.Chr.)
Um die 700 Mondhörner sind bisher in der Schweiz ausgegraben worden. Die meisten sind aus gebranntem Ton, nur ein Dutzend aus Sandstein. Alle sind verziert mit Mustern, Linien oder Kreisen.
Bronzezeitliche Funde, Burgdorfer Schlosshügel, um 900 v.Chr.
Einige Keramikbecher tragen feine Verzierungen, die zum Teil mit Kalk weiss nachgezeichnet sind. Spinnwirtel und Webgewichte zeugen von einer Besiedelung des Schlosshügels vor 3000 Jahren.
Leihgaben: Archäologischer Dienst des Kantons Bern
105 Römische Spuren im Emmental
Ein Geschenk an die Götter?
In der Region gibt es wenige Spuren aus römischer Zeit. 2017 wurden bei Luterbach 70 römische Münzen gefunden. Sie sind zwischen 50 und 180 n. Chr. dort deponiert worden. Die mehrheitlich sehr kleinen Münzwerte lassen vermuten, dass die Münzen den Göttern zum Dank dargeboten wurden.
106 Aus eins mach zwei
Niemand kommt heute auf die Idee, eine Münze zu halbieren und damit in einem Geschäft zu bezahlen. Bei den Römern war dies eine verbreitete Methode, den Wert von Geldstücken mit der Zeit anzupassen. Eine Münze ist wahrscheinlich vor Ort geteilt worden, damit zwei Personen den Göttern huldigen konnten.
107 Römische Münzen, Fundort Grosshus bei Luterbach
As halbiert, Tiberius, ca. 22/23-30 n. Chr.
As, Claudius, 41-54 n. Chr.
As, Nero, 62-68 n. Chr.
As, Titus, 80-81 n. Chr.
As, Marc Aurel, 161-180 n. Chr.
Das As ist die kleinste in der Region gebräuchliche römische Münze. Die vorne ausgestellten Exemplare sind besonders gut erhalten. Sie zeigen die jeweils herrschenden römischen Kaiser.
Leihgaben: Archäologischer Dienst des Kantons Bern