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0 Macherinnen
Frauengeschichte aus Burgdorf und dem Emmental
Frauen engagierten sich immer schon für die Gesellschaft; ob als Einzelne, gemeinsam mit anderen oder in Vereinen. Manche nahmen sich ihre Freiheiten selbstverständlich, andere mussten lange und hart darum kämpfen. Frauen verfolgten persönliche Ziele oder setzten sich ein für mehr Rechte oder für bessere Bildung. Die meisten dieser tatkräftigen Frauen machten sich stark für soziale Anliegen. Frauen sollten für andere schauen – diese Rolle hatten viele von ihnen verinnerlicht.
Geschichten von Frauen aus Burgdorf und dem Emmental könnten ein ganzes Museum füllen. Diese Ausstellung beschränkt sich auf eine Auswahl. Es sind Frauen von heute, aber auch solche, die vor Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten tätig waren.
Als Macherinnen gestalteten sie ihr Leben und veränderten die Welt – im Kleinen wie im Grossen, damals wie heute.
1 Wo sind die Frauen?
Eine Suche mit vielen Beteiligten
Frauen bekommen noch immer weniger Raum als Männer. Auch historische Museen und die Geschichtsforschung interessierten sich lange wenig für die Frauen. Höchste Zeit, Frauengeschichte(n) auszustellen! Zuerst aber hiess es: Geschichten über Frauen sammeln.
Zur Vorbereitung konnten die Bevölkerung und Gäste das Museum auf Frauen aus der Region hinweisen, die einen Platz in dieser Ausstellung erhalten sollten. Schulklassen forschten nach Geschichten von Frauen. Viele Beteiligte trugen Überraschendes zusammen – Geschichten, die sich bisher nicht in Büchern, Archiven oder im Internet finden.
2 Zusammen sind wir stärker!
Frauen organisieren sich
Gleichgesinnte Frauen tun sich zusammen. Im 19. Jahrhundert organisierten sie sich in gemeinnützigen Vereinen, später vernetzten sie sich, etwa im Kampf um Frauenrechte. Frauen packten an, wo es nötig war – und dies unentgeltlich.
Als es noch keine Pflegeheime und Kindertagesstätten gab, sorgten private Frauenvereine für Kranke, Alte und Kinder. Damit bildeten sie das soziale Rückgrat der Gesellschaft. Bis heute profitieren der Staat und die ganze Gesellschaft vom ehrenamtlichen Engagement; vorwiegend von Frauen.
In den Schubladen stellen sich Vereine aus der Region vor – stellvertretend für die vielen Organisationen von Frauen.
3 Frauen aufs Podest!
Ein Schul- und Museumsprojekt
Welche Frauen beeindrucken? Sind sie öffentlich sichtbar? Wie sieht ein zeitgemässes Denkmal überhaupt aus? Diese Fragen untersuchten Klassen vom Schulhaus Gsteighof aus Burgdorf im Rahmen des Kulturvermittlungsprojekts «Tête-à-tête» zusammen mit dem Museum.
Die Jugendlichen interviewten Frauen und entwickelten Ideen für ein neu zu schaffendes Frauen-Denkmal in Burgdorf. Sie filmten und dokumentierten ihre Arbeit. Ihre Erinnerungsobjekte präsentierten sie öffentlich.
4 Film-Dokumentation zur Entstehung eines Denkmals für
Heidi Brodbeck-Zürcher
Birgit Steinegger
Elisabeth Zäch
Simone Niggli-Luder
Erstellt von Schulklassen der Oberstufe Gsteighof, 2022
5 Das Museumsmagazin «Schlossschrift» ergänzt die Ausstellung mit weiteren Geschichten von und zu Frauen aus der Region Burgdorf. Zum Mitnehmen und Lesen.
6 Die Wand der Vielen
Vielfältig engagiert
Auf vier Männer kommt bloss eine Frau – das ist die Bilanz der bisherigen Ausstellung auf dem Schloss. Nicht eine Strasse von Burgdorf trägt den Namen einer Frau. So wenig Sichtbarkeit für die Hälfte der Bevölkerung – das reicht nicht!
Es stimmt nicht, dass es keine Frauen in der Geschichte gibt. Die Recherchen zu dieser Ausstellung beweisen das Gegenteil: Die Geschichten von Frauen aus Burgdorf und dem Emmental könnten ein Museum füllen. Doch kaum eine dieser Frauen kommt in Geschichtsbüchern vor; nur wenige von ihnen hinterliessen Spuren in der Museumssammlung oder im Archiv. Aber bis heute erinnern sich Menschen an sie.Hörstück zur Frau
Video zur Frau
Objekt zur Frau in der Vitrine
Verbindung zu einer Organisation
7 Es bleiben Lücken
Diese Ausstellung zeigt Frauen, deren Geschichten nie zuvor im Museum waren. Aber wer versteht sich überhaupt als Frau und wen schliesst diese Bezeichnung aus? Was ist mit jenen, die sich keinem der traditionellen Geschlechter zuordnen?
Die Vorstellungen von Geschlecht wandeln sich mit der Zeit. Was heute verhandelt wird, war vor einer Generation klar. Die hier präsentierten Frauen orientierten sich am Rollenbild ihrer Zeit. Niemand schlug für die Ausstellung eine Transfrau vor oder eine offen lesbische lebende Frau. Nicht-weisse Frauen fehlen ebenso wie Muslimas.
Auch diese Lücken sollen sich in Zukunft schliessen. Melden Sie wer, eine Würdigung im Museum verdient. Auf dass Museen die ganze Vielfalt der Gesellschaft zeigen!Online-Formular auf schloss-burgdorf.ch/frauengeschichte
8 Frauen und ihre Dinge
Nachlass der Frauen – trotz Lücken in der Sammlung
In der Museumssammlung gibt es viele Dinge von Frauen – die meisten kommen aus Küche und Haushalt. Sie erzählen von fürsorglichen Gattinnen und Müttern. Nur wenige Objekte verweisen auf berufstätige Frauen oder auf solche, die öffentlich wirkten.
Die meisten gezeigten Objekte stammen aus Privatbesitz. Nachkommen holten Erinnerungsstücke aus dem Keller oder stiegen dafür auf den Estrich. Wo persönliche Dinge fehlten, stehen Objekte stellvertretend für das Wirken einer Frau. Die Vielfalt von Frauenleben soll sich künftig auch in der Sammlung des Museums widerspiegeln.
9 1
Fahne vom Frauenstreik 2019.
Streikende trugen die Fahne durch Bern. Eine Museumsmitarbeiterin hisste sie danach auf Schloss Burgdorf. Tags darauf kam die Fahne ins Museum.2
Sessel von Gertrud Derendinger, 1960er Jahre.
Als Herausgeberin von Handarbeitsbüchern bestickte sie den Sessel möglicherweise selbst.3
Schreibmaschine von Gertrud Derendinger, 1950er Jahre.
Sie tippte 1959 darauf die Broschüre «Unsere Schein-Demokratie».
Schenkungen Erika Derendinger

4
Gemälde von Christa Markwalder mit Schloss Burgdorf und Bundeshaus, 2003.
Sie malte das Bild für ihren Wahlkampf in den Nationalrat.
Leihgabe Christa Markwalder

5
Gemälde von Margit Wenger, 2017.
«Frauen, die lesen, sind gefährlich». Diese Aussage schockierte sie so sehr, dass sie seither Bilder zu diesem Thema malt.
Leihgabe Margit Wenger

6
Speer mit Widerhaken, Bismarck-Archipel, Papua-Neuguinea, 1911.
Marie Schafroth brachte von ihrer Weltreise viele Souvenirs mit. Solche konnte man damals auch in Europa kaufen – oft billiger als in Papua.
Ethnologische Sammlung

7
Brust-, Hals- oder Stirnschmuck, Hermit-Inseln, Papua-Neuguinea, 1911.
1909 trugen Papua-Männer solchen Muschelschmuck, Frauen hatten Ziernarben.
Ethnologische Sammlung

8
Marie und Fritz Laeng im Büro, Fotografie von 1971.
Marie hatte die Idee für den Firmennamen Lenco.
Reproduktion aus Privatarchiv Fritz Laeng

9
Tragbarer Plattenspieler «Le Petit Prince» mit Verstärker und Deckellautsprecher, Firma Lenco, Burgdorf, 1970er Jahre.
Sammlung Rittersaalverein

10
Goldener Einkaufskorb, 2014.
Die Schweiz ist ein teures Land. Sara Stalder setzt sich als Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz für faire Preise ein.
Leihgabe Sara Stalder

11
Brosche von Regina Biefer, 1993.
Als sie in Bern diese Brosche trug, hielt sie jemand für Ruth Dreifuss, die erste Schweizer Bundespräsidentin.
Leihgabe Regina Biefer

12
Jagdhorn von Beatrix Rechner, 1979.
Sie ist leidenschaftliche Jägerin, obwohl der Eintritt in diese Männerdomäne nicht einfach war.

13
Hörrohr aus Holz von Marie Zürcher, 1950er Jahre.
Hebammen brauchen auch heute noch Hörrohre, um die Herztöne des Kindes abzuhören.

14
Namensschild von Marie Zürcher, 1970er Jahre.
Als freischaffende Hebamme sowie als leitende Hebamme im Spital Emmental half sie rund 4000 Kindern auf die Welt.
Leihgaben Familie Zürcher

15
Hebammenkoffer des Spitals Emmental, 20. Jahrhundert.
Marie Zürcher fuhr per Velo zu den Gebärenden, mit dem Hebammenkoffer auf dem Gepäckträger.
Leihgabe Abteilung Geburtshilfe, Spital Emmental

10 16
«Zornige alte Damen» mit der Unterschrift von Hanna Schilt-Urech, 1994.
Sie kämpfte für eine Welt, in der alle menschenwürdig leben können – ohne Angst, ohne Krieg.17
Schulzeugnisse von Hanna Schilt-Urech, 1932/33.
Die Eins war damals die beste Note. Ihre Herkunft aus einer armen Familie hinderte Hanna Schilt-Urech an einem Studium.18
Küchenwaage von Hanna Schilt-Urech, 1940er Jahre.
Sie musste vieles gut abwägen: Christentum und Sozialismus, Arbeit und Kindererziehung, aber auch Mehl und Butter für den Sonntagszopf.
Leihgaben Familie Schilt

19
Brennhafen von Vreni Mosimann, 1980er Jahre.
«Brönner Vreni» destillierte ihre Schnäpse in verschiedenen Brennhäfen. Auf dem Bild steht sie mit ihrem Mann neben einem grossen Hafen.

20
Schnapsflasche von Vreni Mosimann, 1980er Jahre.
Die Etiketten für ihre Schnäpse gestaltete sie selbst. Sie klebte sie mit Kaffeerahm auf die Flaschen.

21
Hut von Vreni Mosimann, 1980er Jahre.
Als Störbrennerin war sie bei jedem Wetter unterwegs.
Leihgaben Familie Schmid

22
Kleid eines Migranten aus Eritrea, 2019.
Anette Vogt erhielt das Kleid als Dank für ihre Arbeit im Verein «Burgdorf integriert». Sie ist überzeugt, dass Zugewanderte die Gesellschaft bereichern.
Leihgabe Anette Vogt

23
Uniform des Frauenhilfsdienstes der Schweizer Armee von Marion van Laer, 1940er Jahre.
Den Ärmel zieren so viele Abzeichen, dass ein russischer Offizier in Danzig 1946 überzeugt war, sie sei der «Frauen-General» der Schweiz.
Sammlung Rittersaalverein

24
Jacke von Beatrix Rechner von den Olympischen Spielen 1972.
Sie vertrat als Hochspringerin die Schweiz in München.
Leihgaben Beatrix Rechner

25
Karten der Orientierungsläuferin Simone Niggli-Luder, 2001 und 2013.
Rechts die Karte der WM 2001 in Finnland, wo sie siegte. Links die Karte der WM 2013, ebenfalls in Finnland, wo sie ihre 23. und letzte WM gewann.

26
OL-Dress von Simone Niggli-Luder, 2012.
In diesem Dress holte sie an der Weltmeisterschaft 2010 in Trondheim zwei Goldmedaillen.
Leihgaben Simone Niggli-Luder

27
Schachteln der Unterschriftensammlung.
Anne-Marie Rey sammelte 1971 mit ihren Mitkämpferinnen 65ʼ0000 Unterschriften für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch.
Reproduktion

28
Das Komitee reicht 1971 die Initiative für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch ein. Anne-Marie Rey steht in der Mitte (ohne Schild).
Foto von Keystone

11 Zielstrebig, beharrlich und unbeirrt
Fünf Frauen erzählen
An den Hörstationen erzählen fünf Frauen aus ihrem Leben. In der Vitrine sind persönliche Dinge von ihnen zu sehen. Von einigen der Frauen liegen Bücher zum Blättern bereit. Die Portraits der fünf Frauen finden sich unter den Vielen an der Wand. Entdecken Sie alle fünf?
12 Marie Schafroth (1874–1922), 6 min.
Eine gehörlose Frau reist im Jahre 1910 allein um die Welt und sammelt Objekte für die Burgdorfer Sammlung.


Marion van Laer-Uhlmann (1905–2004), 5 min.
Sie rettet im Zweiten Weltkrieg als Rotkreuzfahrerin Kinder und Verwundete.
Ein Hörstück (nicht nur) für Kinder.

Gertrud Derendinger (1920–1994), 7 min.
Sie macht ihrem Ärger Luft – und schreibt 1959 eine Streitschrift gegen die Männerherrschaft.

Hanna Schilt-Urech (1917–2011), 6 min.
Die Dienstmagd und Fabrikarbeiterin engagiert sich für Frieden und eine gerechtere Welt.

Anne-Marie Rey-Kühni (1937–2016), 5 min.
Sie kämpft in den 1970er Jahren für den straffreien Schwangerschaftsabbruch und verhilft einem wichtigen Anliegen der Frauenbewegung zum Durchbruch.

13 Es gibt noch viel zu tun
Frauengeschichte erforschen
Armee, Wirtschaft und Politik: Für Jahrhunderte galten sie als die wichtigen Bereiche der Gesellschaft. Sie waren mehrheitlich Männern vorbehalten. Die Archive bewahren Aufzeichnungen davon auf, und die Geschichtswissenschaft erforscht sie. Nur wenige Frauen konnten diese Männerwelt mitgestalten.
Je weiter ein Frauenleben zurück liegt, desto schwieriger ist es heute, die Geschichten davon aufzudecken. Weiblich geprägte Lebensbereiche hinterliessen wenig Spuren. Das Wirken von Frauen galt als weniger wichtig und nicht erinnerungswürdig. So bleiben viele Lebensgeschichten von Frauen für immer vergessen.
Museen und Geschichtsforschende sind aufgefordert, Zeugnisse von Frauen zu sammeln und zu sichern. Nur so entsteht ein umfassendes Bild vergangener Zeiten.
14 Clementia – die letzte Zähringerin
Schloss und Stadt Burgdorf gehen auf die Zähringer zurück. Um 1200 gründete der letzte Zähringer, Herzog Berchtold V., mehrere Städte, darunter Burgdorf. Als er 1218 starb, fiel das Schloss an das Adelsgeschlecht der Kyburger. Diese Geschichte lernten Burgdorfer Kinder in der Schule.
Doch die Geschichte unterschlug die Frau des Herzogs: Eigentlich sollte Clementia von Auxonne Burgdorf erben. Aber Clementia konnte ihr Witwengut nie antreten, obwohl sie sich dafür wehrte. Verwandte nahmen sie gefangen. Der Kaiser befahl vergebens, Clementia frei zu lassen. Viele Jahre verbrachte sie in Gefangenschaft. Was geschah mit der kinderlosen Witwe in dieser Zeit? Wie verlief ihr späteres Leben? Wann starb sie? Viele Fragen, keine Antworten.
15 Die Frau im blauen Kleid ist Clementia von Auxonne, Gattin von Berchtold V. von Zähringen und Erbin von Burgdorf. Diebold Schilling malte sie 250 Jahre nach ihrem Tod.
Spiezer Chronik von 1484/85, Bern, Burgerbibliothek, Mss.h.h.l.16, S. 67, (www.e-codices.ch).
20 Gemeinnütziger Frauenverein Burgdorf
Engagiert für Jung und Alt
Seit 1910 ist der Verein da aktiv, wo der Staat nicht hilft. Viele soziale Dienste gehen auf gemeinnützige Frauen zurück: Der Fahrdienst vom Roten Kreuz, die Cafeteria im Altersheim, die Spitex oder die Aufgabenhilfe für Schulkinder. Heute organisiert der Verein Repair-Cafés, Babysitting-Kurse oder gesellige Nachmittage für ältere Menschen Ältere. Die Aktiven sehen sich als Ermöglicherinnen.
Der Verein bietet ein Netzwerk für Neuankömmlinge wie für Alteingesessene. Auch Männer sind willkommen. Zur Zeit gibt es genügend Aktive. Dennoch ist unsicher, ob sich auch künftig Menschen freiwillig engagieren für ein gutes Zusammenleben in Burgdorf.
21 Frauenverein Sumiswald 1844
Einer der ersten Frauenvereine
Die Frauen von Sumiswald hatten sich zusammengeschlossen, noch bevor der schweizerische Bundesstaat entstand. Zuerst strickten sie allwöchentlich Wollsachen für Arme. Sie wollten Bedürftige auch mit Essen und Geld unterstützen. Deshalb gründeten sie eine Suppenküche und verkauften an Basaren Handarbeiten.
Ein Verein mit Statuten und Kassabuch besteht seit 1911. Er stellte eine Säuglingsfürsorgeschwester an und richtete in Sumiswald eine Familienfürsorgestelle ein. Kranke erhielten daheim Pflege. Später gab es für Kinder einen Kindergarten und einen Spielplatz.
22 Dorfläbe Grünenmatt
Umbenennung und Neubelebung
2003 fragte sich der Gemeinnützige Frauenverein Grünenmatt: Wie weiter? Die Aktiven wollten sich auch künftig engagieren für das Zusammenleben – aber gemeinsam mit Männern. Dafür brauchte es einen neuen Namen: «Dorfläbe Grünenmatt». Der Verein organisiert Ausflüge und Anlässe wie Filmabende oder Spaghettiessen; er setzt sich ein für sichere Strassen und bietet einen Flickservice an. Der Verein «Dorfläbe» steht allen in Grünenmatt offen und stärkt die Gemeinschaft.
23 1
Gegenstände aus der Brockenstube des Gemeinnützigen Frauenvereins: Zange, defektes Smartphone, Tee-Untertasse, Zuckerzange, Würfel, Stricktrick. Der Verein organisiert Altersnachmittage, eine Ludothek, ein Repair-Café und vieles mehr. Mit dem Erlös der Brockenstube finanziert der Verein seit 1923 soziale und gemeinnützige Projekte.
Leihgabe Gemeinnütziger Frauenverein Burgdorf2
Töchter der Fortbildungsschule 1913. Gemeinnützige Frauenvereine setzten sich ein für eine bessere Mädchenbildung. Sie professionalisierten die Hauswirtschaft.
Burgerarchiv Burgdorf Bechstein 20673
Frauen des Frauenvereins Sumiswald, um 1885.
Sammlung Familie Sommer, Mur, Sumiswald, in: Sumiswald Streiflichter, Sumiswald 2006, S. 300.

4
Protokollbücher des Gemeinnützigen Frauenvereins von Grünenmatt von 1930–1947 und 1948–1966.
Leihgabe Verein Dorfläbe Grünenmatt

5
«Spinnete» des Gemeinnützigen Frauenvereins Grünenmatt.
Bei der «Spinnete» trafen sich die Frauen in einer Wirtschaft, um erst zu spinnen und danach zu tanzen. Männer hatten keinen Zutritt.
Leihgabe Verein Dorfläbe Grünenmatt

6
In dieser Schublade liegen 13‘000 Kaffeebohnen – so viele Gratisstunden arbeiteten die Mitglieder des Gemeinnützigen Frauenvereins Burgdorf 2020. Würde diese Arbeit mit einem Stundenlohn von 25 Franken entlohnt, kostete das über 300‘000 Franken. Die Gratisarbeit des Vereins entspricht ungefähr fünf Vollzeitstellen

24 Landfrauenvereine von Burgdorf/Kirchberg und Wynigen-Rumendingen
Ausbildung und Absicherung für Bäuerinnen
1930 schickte die Oekonomische Gemeinnützige Gesellschaft Frau Dettwiler in die Berner Dörfer, um Landfrauenvereine zu gründen. Nach den vorgedruckten Statuten der OGG entstanden damals auch die Vereine Burgdorf/Kirchberg und Wynigen-Rumendingen.
Nach der ersten SAFFA, der Ausstellung für Frauenarbeit von 1928, war das Bewusstsein gewachsen, dass Bäuerinnen eigenes Geld verdienen sollten. Dafür brauchte es bessere Ausbildungen wie etwa die Haushaltslehre. Heute kümmern sich Landfrauenvereine darum, dass Bäuerinnen nach einer Scheidung finanziell abgesichert sind. Die Vereine bieten Austausch beim gemeinsamen Kochen, Backen, Gestalten und Handarbeiten.
25 Gutes tun
«Männer gewinnen Kriege, Frauen tragen die Welt»
Nach diesem Leitspruch setz(t)en sich die Landfrauen für ihre Mitmenschen ein. Wie viele andere Frauenvereine arbeiteten sie während der Weltkriege an der «Heimatfront» und erfüllten all diejenigen Aufgaben, die ihnen die Politik nur zu gerne überliess: Sie strickten, kochten, unterstützen arbeitslos gewordene Frauen und beherbergten Flüchtlingskinder.
Heute sammeln Landfrauen Spenden für Bedürftige, sie leisten Nachbarschaftshilfe oder verteilen nach Naturkatastrophen Lebensmittel. Dabei ist es ihnen wichtig, politisch neutral zu bleiben.
26 1
Landfrouelied, 1939
Dieses Lied komponierte Frieda Grossenbacher-Mäder für die Landfrauen Burgdorf, Kirchberg und Umgebung.
Leihgabe Landfrauenverein Burgdorf, Kirchberg und Umgebung2
Das Symbol der Landfrauen ist die Biene: Ebenso fleissig und unermüdlich arbeiten sie – ein Anspruch, der heute Anlass zu Diskussionen gibt.
Leihgabe Landfrauenverein Burgdorf, Kirchberg und Umgebung3
Statuten des Landfrauenvereins Burgdorf, Kirchberg und Umgebung, 1930. In die vorgedruckten Leerstellen sind Ort, Datum und Sitz eingetragen.
Leihgabe Landfrauenverein Burgdorf, Kirchberg und Umgebung

4
Protokollbuch des Landfrauenvereins Wynigen, 1930–1951. Während des Zweiten Weltkriegs hatten die Landfrauen so viel Arbeit, dass es nur für Notizen reichte.
Leihgabe Landfrauenverein Wynigen-Rumendingen

5
Soldatensocken, nachproduziert 2022.
Leihgabe Landfrauenverein Wynigen-Rumendingen

6
Dankesbriefe von Soldaten im Zweiten Weltkrieg an die Landfrauen. Die Männer hatten Pakete mit selbstgestrickten Socken erhalten.
Leihgabe Landfrauenverein Burgdorf, Kirchberg und Umgebung

27 FrauenNetz Burgdorf
Engagiert für Vernetzung und Frauenrechte
Das FrauenNetz entstand im Jahr 2000 aus einer Arbeitsgruppe für Frauenfragen. In diesem unabhängigen Netzwerk kommen Frauen mit verschiedenen politischen Haltungen zusammen. In Arbeitsgruppen bringen sie sich zu Fragen von Politik oder Familie ein – immer aus Frauensicht.
Das FrauenNetz veranstaltete schon Kino-Matineen, Pflanzentauschaktionen, Jugendkonzerte oder «Modi-Tage», Tage für Mädchen. Es gibt ein Mentoringprogramm und einen Lesezirkel. Bei allen Aktivitäten geht es ebenso um Frauenförderung wie um freundschaftliches Zusammensein.
28 Frauenstreik
Respekt, Lohn, Zeit
Respekt, mehr Lohn, mehr Zeit – jetzt erst recht: 2019 fand unter diesem Motto der zweite Frauenstreik statt. Das FrauenNetz Burgdorf organisierte am 14. Juni auf dem Kronenplatz einen Apéro mit Musik und Reden. Bereits 1991 hatten viele Frauen in der Schweiz gestreikt. Zwar hatte das Stimmvolk 1981 Ja zur Gleichstellung gesagt, doch war sie noch längst nicht verwirklicht. Damals gab es das FrauenNetz Burgdorf noch nicht, es war die Frauengruppe, die Buttons verteilte und auf den Streik aufmerksam machte.
29 1
Film, Buch und Flyer von verschiedenen Veranstaltungen und Angeboten des FrauenNetzes.
Leihgabe FrauenNetz Burgdorf2
Auftritt eines internationalen Frauenchors organisiert vom FrauenNetz am Begegnungsfest 2017 in Burgdorf.
Leihgabe FrauenNetz Burgdorf3
Die Gründerinnen des FrauenNetzes Burgdorf: Hinten (v.l.) Gabriela Kühni, Bernadette Zurkinden, Andrea Rüfenacht, Regina Biefer (mit Tochter Tamara), vorne: Mirjam Rumenthaler, Johanna Schlegel, Elisabeth Zäch.
Leihgabe FrauenNetz Burgdorf

4
Flyer für den Frauenstreik 2019: Auf dem Kronenplatz versammelten sich rund 100 Menschen, die den Reden von Elisabeth Knutti (Präsidentin Gemeinnütziger Frauenverein Burgdorf) und Barbara Lüthi (Stadtratspräsidentin) lauschten.
Leihgabe FrauenNetz Burgdorf

5
Offizielle Fahne der Gewerkschaften mit den Sujets zum feministischen Streiktag 2019.
Leihgabe FrauenNetz Burgdorf

6
Fotos vom Frauenstreik 2019 in Burgdorf.
Leihgabe FrauenNetz Burgdorf

7
Eindrücke vom Frauenstreik 1991 aus dem Burgdorfer Tagblatt, 17. Juni 1991.
Reproduktion

30 Frauen organisieren sich
Engagiert für Burgdorf und für die Welt
Eine Kinderkrippe, ein interkultureller Treffpunkt oder ein Ableger von «Soroptimist International»: Frauen engagieren sich für unterschiedlichste Anliegen. Eines aber haben ihre Organisationen gemeinsam: Ihre Gründerinnen waren Macherinnen, die sich für ihre Überzeugungen einsetzten.
31 Soroptimist International Club Burgdorf
Für Gleichberechtigung von Frauen und Mädchen
«Soroptimist International» ist die weltgrösste Organisation von berufstätigen Frauen. 1921 in Kalifornien gegründet, zählt sie heute 72ʼ000 Mitglieder in 121 Ländern. Als eine von wenigen Nicht-Regierungs-Organisationen beraten sie die Vereinten Nationen (UNO) Soroptimistinnen die UNO.
Sie setzen sich dafür ein, dass Frauen und Mädchen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Ihr Motto heisst «weiterbilden, ermächtigen und befähigen». 1965 initiierten Simone Friedli und Martha Hofer den Burgdorfer Club. Heute engagiert sich dieser stark gegen Gewalt an Frauen und Mädchen.
32 Krippeverein Burgdorf
Für Kinder und berufstätige Eltern
Die älteste Kinderkrippe von Burgdorf gibt es seit 1891. Bürgerliche Frauen gründeten sie zusammen mit einem Pfarrer, damit arme Frauen in der Fabrik arbeiten konnten oder sich jemand um die Kinder kümmerte, wenn die Mütter krank waren. Kinderbetreuung war damals Frauensache.
In der Anfangszeit nahm die Krippe nur Kinder von verheirateten Eltern auf. Bis in die 1970er Jahre betreuten Diakonissen die Kinder. Sie wohnten in der Krippe und schauten rund um die Uhr zu den Kindern, denn einige von ihnen lebten ebenfalls ganz dort. Heute heisst die Kindertagesstätte «Villa ChriBu».
33 Interkultureller Frauentreff
Ein Ort für Begegnung und Integration
Drei Burgdorferinnen wollten Begegnungen ermöglichen, damit Migrantinnen sich einfacher integrieren. Sie gründeten 2006 den Interkulturellen Frauentreff. Seit 2012 betreibt ihn die reformierte Kirche, die ihn zusammen mit der Stadt finanziert. Frauen aus aller Welt treffen sich wöchentlich zu geleiteten Aktivitäten wie Handarbeiten, Gesprächsrunden, sportlicher Betätigung und Ausflügen und bereichern sich gegenseitig.
34 1
Wimpel des «Soroptimist International Club Burgdorf», unten das Logo von «Soroptimist International». Es zeigt eine Frau mit erhobenen Armen und steht für Freiheit und Verantwortung.
Leihgabe Stacy Ciulik2
Lesezeichen von «Soroptimist International Club Burgdorf».
Leihgabe Stacy Ciulik3
Pins mit dem Logo von «Soroptimist International».
Leihgabe Soroptimist International Club Burgdorf

4
Fotos Interkultureller Frauentreff.
Leihgabe Interkultureller Frauentreff

5
Freundschaftsbänder vom Begegnungsfest 2019. Die Frauen knüpften in die Bänder den Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben aller Nationen ein und verschenkten sie am Fest als Zeichen der Verbundenheit.
Leihgabe Interkultureller Frauentreff

6
Spielzeug, ca. 1940er Jahre.
Leihgabe Krippeverein Burgdorf

7
Schwester Marie Müller, Diakonisse aus Riehen, 1950. 1891 zahlten die Eltern pro Tag und Kind 75 Rappen, ab 1969 je nach Einkommen zwischen 3 und 8 Franken pro Tag. Heute kostet die Betreuung für ein Kind über 100 Franken pro Tag.
Leihgabe Krippeverein Burgdorf

8
Fotos Kinderkrippe, 1970er Jahre. Bis zu 80 Kinder werden von einer Krippenleiterin, zwei Gruppenleiterinnen, zwei Lernenden, zwei Praktikantinnen und zwei Gehilfinnen sowie einer Köchin betreut. Heute sind drei Fachpersonen Betreuung für eine Gruppe von 12 Kindern zuständig.
Leihgabe Krippeverein Burgdorf

40 Historikerin, Archivarin
Trudi Aeschlimann-Müller
*1943
«Es spielt keine Rolle, ob es sich um Künstlerinnen oder Handwerker handelt: mich interessiert stets die Geschichte der Menschen hinter ihren Werken.»
Ohne sie hätte Burgdorf weniger Geschichte: Als langjährige Archivarin im Burgerarchiv, Herausgeberin des Burgdorfer Jahrbuchs, erste Präsidentin des Rittersaalvereins und heutige Verantwortliche für dessen Sammlung erforscht sie die Lokalgeschichte. Nach ihrer Ausbildung heiratete sie früh, weil sie nur so mit ihrem Freund zusammenleben konnte. Als junge Mutter arbeitete sie bei der Kantonalen Denkmalpflege. In den 1970er Jahren wurde sie die erste Archivarin von Burgdorf. Ältere Besucher fragten manchmal: «Grüessech Fräulein, wo isch dr Archivar?»
41 Bildhauerin
Helen Balmer-Gerber
*1924
«Man soll nichts erzwingen, sondern es an sich herankommen lassen.»
Sie widmete ihr Leben der Kunst, nahm an vielen Ausstellungen teil und setzte sich für die Frauen in der Kunst ein. Sie wuchs in einer Fabrikantenfamilie in Langnau auf. Als Kind spielte sie im Garten und konstruierte kleine Gebilde. Nach einem Jus-Studium in Bern setzte sie bei den Eltern ihren Wunsch durch, Bildhauerin zu werden. Sie studierte bei Germaine Richier in Paris. Verschiedene ihrer Entwürfe führte ihr Mann Lorenz Balmer in Stein aus; etwa die Brunnenskulptur «Wolke» vor dem Sekundarschulhaus in Langnau.
Foto: Raffaella Bachmann
42 Lektorin, Mutter, Hausfrau
Henriette Bitzius-Zeender
1805–1872
«Für dein Kind ist die Zeit, die du einem guten Buche schenkest, keine verlorene Zeit.»
Sie stand im Schatten ihres berühmten Mannes, doch ihre Arbeit im Hintergrund trug zu seinem Erfolg bei. Ihr Mann Albert Bitzius ist unter dem Künstlernamen Jeremias Gotthelf bekannt. Sie lernte ihn kennen, als sie den Haushalt ihres Grossvaters führte. Als Ehefrau verwaltete sie dann auch die Finanzen und bewirtete Gäste. Ihre Töchter erzog sie zu guten Haushälterinnen, die ganz für ihren Gatten da waren. Sie las und korrigierte die Werke und Briefe ihres Mannes und milderte manch scharfes Wort.
Burgerbibliothek Bern, Neg. 4248, Foto: Gerhard Howald
43 Politikerin, Netzwerkerin
Regina Biefer
*1952
«Der Frauenstreik 1991 und noch viel mehr die Nichtwahl von Christiane Brunner 1993 haben mich aufgerüttelt und in die Politik getrieben.»
Die Burgdorferin war 1986 Gründungsmitglied der Freien Liste, der heutigen Grünen Burgdorf. Seither ist sie in verschiedenen Positionen für diese Partei tätig. Sie war Stadträtin und langjährige Fraktionschefin der Grünen. Während 17 Jahren war sie im Vorstand des Quartiervereins Ämmebrügg, davon 8 Jahre Präsidentin. 2000 gründete sie mit anderen das FrauenNetz Burgdorf und leitet es seither als Koordinatorin. Damit entstand ein Angebot für Frauen, die sich nicht in der (Partei-)Politik engagieren wollen.
44 Philosophin
Magdalena Aebi
1898–1980
«Alle Füchse haben vier Beine, alle schlauen Menschen sind Füchse, also haben alle schlauen Menschen vier Beine».
Ihre Kritik an Kants Logik machte sie 1947 international bekannt. Eine angebotene Hochschulkarriere lehnte sie ab, weil sie frei und unabhängig bleiben wollte. Sie lebte in Hotels in der Schweiz und in Deutschland, reiste viel und veröffentlichte auch nach ihrer Doktorarbeit eine Reihe von weiteren Texten. Ihren Lebensabend verbrachte sie in einem Altersheim in Oberburg, wohin sie alle ihre Bücher mitgenommen hatte. Dort machte sie Einheimische mit deutschen Spargeln und Pflegefachkräfte mit Kant bekannt.
Burgdorfer Jahrbuch 1982, S. 78, Foto: F. Henn
«Kants Begründung der ‹Deutschen Philosophie›. Kants transzendentale Logik, Kritik ihrer Begründung» – Magdalena Aebi, 1947
Sie schrieb als eine der ersten Frauen von Burgdorf eine Doktorarbeit. Die Philosophin kritisierte darin Immanuel Kant.
45 Schriftstellerin
Therese Bichsel
*1956
«Mich interessieren Frauenbiografien von gestern, die ein Schlaglicht werfen auf uns Frauen von heute.»
In ihren Romanen stellt sie Frauenfiguren aus vergangenen Zeiten ins Zentrum. Ihre Kindheit verbrachte sie im Emmental. Nach einem Germanistik- und Anglistikstudium folgten Auslandaufenthalte und Stellen als Redaktorin sowie beim Parlament. Ihr erster historischer Roman «Schöne Schifferin» (1997) stiess auf breites Interesse. Seither schrieb sie neun weitere Bücher. Der neuste Roman «Anna Seilerin» erzählt die Lebensgeschichte der Stifterin des Berner Inselspitals.
Foto: Bettina Brun
«Das Haus der Mütter» – Therese Bichsel, 2001
Therese Bichsel verwebt das Schicksal einer modernen Frau mit jenem von fünf Ahninnen. Der Roman spielt im Emmental und verknüpft historische Fakten mit dem Alltag der Figuren.
46 Krimiautorin
Christine Brand
*1973
«Immer habe ich versucht, die Geschichten hinter dem Menschen zu verstehen, die diesen zum Verbrecher werden liessen. Es sind keine Monster, sondern Menschen mit einer Geschichte.»
Die Burgdorfer Journalistin wuchs mit dem Tod auf – ihr Vater war Schreiner und Bestatter, die Nachbarn Metzger und Jäger. Die Welt der Justiz und Kriminologie entdeckte sie bei ihrer Arbeit als Gerichtsreporterin, unter anderem bei der NZZ am Sonntag, bei «Der Bund» und beim Schweizer Fernsehen. Bekannt wurde sie als Autorin von Kriminalromanen und wahren Kriminalgeschichten – auch aus dem Emmental. 2009 veröffentlichte sie ihren ersten Krimi «Todesstrich», inspiriert von einer wahren Begebenheit.
47 Salonnière
Julie Bondeli
1732–1778
«Da ich ja noch so jung bin, sag ich mir: ‹Julie, mein Kind, verheirate dich nicht, so wirst du freibleiben und kannst tun und lassen, was du willst.›».
Sie führte in Bern einen Salon, in dem sich die aufgeklärte Elite traf. Sie korrespondierte mit vielen Intellektuellen. Ihre Jugend verbrachte sie auf dem Schloss Burgdorf, wo ihr Vater Landvogt war. Für ein Mädchen erhielt sie eine aussergewöhnlich umfassende Bildung in Sprachen, Mathematik und Philosophie. Nach Pariser Vorbild pflegte sie in ihrem Salon Kultur, Diskussion und Freundschaft über die Grenzen von Stand und Geschlecht hinweg. Im Alter zog sie zu ihrer Freundin nach Neuenburg. Sie machte aus ihrer Liebe zu Henriette de Sandoz kein Geheimnis.
Burgerbibliothek Bern, Porträtdok. 216, Foto: Gerhard Howald
48 Lehrerin, Frauenrechtlerin
Marie Brechbühl
1857–1933
Als Lehrerin wollte sie gemischtgeschlechtliche Klassen und als Frau forderte sie ihre Rechte ein. Wie viele andere Frauenrechtlerinnen blieb auch sie ledig. In Burgdorf geboren, liess sie sich zur Primarlehrerin ausbilden und übernahm 1875 eine Privatschule in Genf, die unter ihrem Namen bekannt wurde. Sie setzte sich dafür ein, dass der Unterricht Kindern aller Konfessionen offenstand. Als Mitbegründerin der «Union des femmes de Genève», dem ersten Verein für Frauenrechte, setzte sie sich für die rechtliche und politische Besserstellung der Frauen ein.
Archiv der Ecole Brechbühl, Genf
49 Autorin, Chronistin
Lotte Brechbühl-Ris
1923–1999
«… und ich durfte das Leben in seiner ganzen Fülle erfahren als eine einzigartige Melodie voller Harmonien, Dissonanzen und Rhythmen.»
Mit ihren Gedichten über die «Solätte» fing sie die Stimmung des Burgdorfer Stadtfestes ein. Sie arbeitete für das Burgdorfer Tagblatt und später für die Berner Zeitung. Als erste Frau führte sie die Chronik im Burgdorfer Jahrbuch. Neben der Arbeit als Journalistin und der Erziehung der vier Kinder engagierte sie sich im Kirchengemeinderat, in Vereinen und Kommissionen.
50 Sozialarbeiterin
Lilo Brand-Bühler
*1948
«Mein Leben besteht aus Geschichten.»
Sie setzt sich für Menschen ein – sei dies als Leiterin der Pro Senectute oder für Geflüchtete in Burgdorf. Sie war bereits Lehrerin und Mutter, als sie sich zur Sozialarbeiterin ausbilden liess. Bei Pro Senectute beriet sie während 24 Jahren über 6000 Menschen. Seit ihrer Pensionierung engagiert sie sich für Geflüchtete in Burgdorf, erarbeitet Lehrmittel für Deutsch, vermittelt Wohnungen und sammelt Spenden. Der von ihr mitgegründete Verein «Learning by Doing» setzt sich für die Integration und Beschäftigung von geflüchteten Menschen ein.
51 Menschenfreundin
Heidi Brodbeck-Zürcher
*1930
«Wichtig ist, dass man nicht nur für sich lebt, sondern hilft, wo man helfen kann.»
Nächstenliebe und Gemeinschaft: Was ihre Eltern vorgelebt hatten, trug sie weiter. Im Wald, an der Emme und im Garten verbrachte sie eine glückliche Jugend. Zur Familie gehörten auch Pflegekinder. Später zog sie sechs Kinder gross. Im Alter pflegte sie erst den Vater, dann die Mutter und schliesslich den Mann. Noch heute ist sie gerne draussen unterwegs, sei es beim Skifahren oder auf ihrem E-Bike, das sie zum 90. Geburtstag bekommen hat. Ihr Leben und ihre Erfahrungen inspirieren auch junge Menschen: Schüler:innen haben sie für diese Ausstellung vorgeschlagen.
52 Ingenieurin
Stacy Ciulik
*1961
«Gemeinsam können wir das Leben verbessern.»
Nach dem Informatikstudium in Kalifornien lernte sie in der Schweiz ihren Mann kennen. Einige Jahre und zwei Kinder später zog die junge Familie nach Kalifornien, wo sie ein Geschäft mit Textilien und Kunsthandwerk aufbaute. Zurück in Burgdorf war es für sie als Mutter schwierig, im Berufsleben wieder Fuss zu fassen. Sie engagierte sich an Technikwochen für Mädchen und in Hausaufgaben-Treffs für Kinder mit Migrationshintergrund. Später arbeitete sie als Business Process Ingenieurin und im Telekommunikationsbereich. Sie vertritt den Serviceclub «Soroptimist International» bei der UNO in Genf.
53 Aktivistin
Béatrice Däpp-Tren
*1943
«Altersweisheit ist nicht mein Ding. Ich bleibe zornig.»
In der Frauengruppe Burgdorf engagierte sie sich für Frauenrechte. Diese orientierte sich an der Frauenbefreiungsbewegung (FBB). Am Muttertag 1975 hiess es im Schaufenster ihres «Frouelädeli»: «Danke für die Blumen – Rechte sind uns lieber». Als Mutter zweier Kinder merkte sie, dass sie als «Frau von …» nicht glücklich werden würde. In den 1970er Jahren wurde sie zuerst Aktivistin, später Stadträtin. Sie kämpfte für die Abschaffung der Armee, einen Baustopp für AKWs und die Rechte von Gefangenen. Nie wollte sie im Vorhinein gegen etwas sein. So blieb sie offen für den Dialog.
54 Erste Frauen in der Stadtmusik
Christine Derendinger
Marianne Stuber
*1955, *1957
«Neben dem eigentlichen Musizieren war die enorm gute Kameradschaft, der Zusammenhalt unter den Mitgliedern die entscheidende Motivation, in der Stadtmusik mitzuwirken.»
Bis 1973 gab es in der Burgdorfer Stadtmusik keine Frauen. Marianne Stuber war die Erste. Schon als Kind begeisterte sie sich für Musik und bat mit sechzehn darum, der Stadtmusik beitreten zu dürfen. Die Ablehnung kam prompt; sie hätten noch keine Erfahrungen mit Frauen gemacht, hiess es. Doch am nächsten Tag durfte sie an einer Probe teilnehmen. Christine Derendinger, die im selben Jahr in die Stadtmusik eintrat, stiess ebenfalls zuerst auf Widerstand. Nach der harzigen Aufnahme gehört sie auch heute noch der Stadtmusik an
Festschrift 200 Jahre Stadtmusik Burgdorf 1802–2002, S. 65.
55 Lehrerin
Lina Döbeli
1867–1932
Die Lehrerin an der Mädchensekundarschule in Burgdorf war von 1902 bis 1913 Präsidentin des Lehrerinnenvereins Sektion Burgdorf. Sie setzte sich ein für ein religiöses Leben, für Abstinenz und für Frauenanliegen – wenn es sein musste, auch öffentlich. Sie gründete ein Heim für «Blinde, Taubstumme und Schwachsinnige», engagierte sich für Tierschutz und für kirchliche und wohltätige Einrichtungen.
56 Erste Standesweibelin
Christina Dübi Flückiger
*1973
«Ich bin stolz, dieses Amt übernehmen zu dürfen und finde die Verbindung von Tradition und kundenorientierter Dienstleistung in einem historischen Gebäude spannend.»
Als erste Frau im Kanton Bern übernahm sie im Jahr 2000 das Amt der Standesweibelin. Offiziell hiess sie zuerst Standesweibel. Erst 2007 erliess der Grossrat ein Gesetz, das ihr erlaubte, sich Standesweibelin zu nennen. In diesem Amt war sie verantwortlich für die Verwaltung des Berner Rathauses und die Organisation von Anlässen. Bei offiziellen Anlässen repräsentierte sie in der Amtstracht den Kanton Bern. Heute arbeitet sie für das Museum Schloss Burgdorf.
Staatsarchiv des Kantons Bern, PBA BZ, Foto: Andreas Blatter
57 Verlegerin, Journalistin
Gertrud Derendinger
1920–1994
«Raffen wir uns auf zum Kampf! Beweisen wir […] unsern verehrten Männern, dass wir nicht mehr gewillt sind, unsere politische Untertanenschaft weiterhin kampflos hinzunehmen.»
Ihre sichere Stelle als Buchhalterin gab sie auf, um ihrer Leidenschaft zu folgen: dem Schreiben. In in- und ausländischen Zeitungen publizierte sie Artikel, auch zu Frauenrechten. In der Broschüre «Unsere Schein-Demokratie» kritisierte sie das fehlende Frauenstimmrecht und wurde dafür öffentlich angegriffen. Daneben veröffentlichte sie Bücher zum Kunsthandwerk und leitete Kurse. Es lief so gut, dass sie sich ein Haus mit Garten und Pool bauen konnte und darin eine Galerie eröffnete. Als ihr Erfolg in den 1970er-Jahren nachliess, musste sie das Haus verkaufen und lebte fortan zurückgezogen.
«Unsere Schein-Demokratie. Ein weiblicher Kommentar über unsern Staat der Männerherrschaft, der sich einbildet, eine wahre Demokratie zu sein» – Gertrud Derendinger, 1959
Sie rechnet nach dem abgelehnten Frauenstimmrecht mit dem Männervolk, den Politikern, den Medien und den gemässigten Frauenrechtlerinnen ab. Sie ruft dazu auf, es zu wagen «anders zu sein» und mit «Schärfe und Nachdruck zu kämpfen».
58 Unternehmerin
Adelheid Fankhauser-Marti
1665– um 1723
«Der Herr im Himmel vergleiche, dass ich all mein Thun und Vornemmen anstelle zu seines heiligen Namens Ehr, Lob und Preis, […] mein und der Meinigen verantwortlichen Nutzen suche, […], Amen.»
Nachdem ihr Mann gestorben war, wurde sie erfolgreiche Unternehmerin. Die Tuchfabrik Fankhauser florierte unter ihrer Leitung. Ihre sieben Kinder erreichten alle das Erwachsenenalter. Bevor sie das Geschäft übernahm, führte sie den Haushalt und die Buchhaltung und erzog die Kinder.
59 Vermittlerin Hauspflege
Lori Friederich-Richard
1923–2000
«Es ist kaum möglich, es allen zur gleichen Zeit recht zu machen. Die Vermittlung ist ein Kompromiss zwischen dem, was wünschbar und zwischen dem, was machbar ist.»
Damit alte Menschen möglichst lange zu Hause leben können, organisierte sie von 1969 bis 1997 die Einsätze von Hauspflegerinnen. Für ihre Leistungen sollte sie das Ehrenbürgerinnenrecht der Stadt Burgdorf erhalten. Sie lehnte unter anderem ab, weil sie nicht regelmässig öffentliche Reden halten wollte.
60 Bankleiterin
Margrit Friedli
1964–2019
«Ich komme aus der Gegend von Wynigen, bin hier aufgewachsen und hier verwurzelt und die Spar- und Leihkasse Wynigen ist wirklich neben dem Job auch mein Hobby.»
Sie war 2017 die erste «Bankerin des Jahres». Ihre Spar- und Leihkasse in Wynigen landete in einer Liste von 100 Banken auf dem ersten Platz. Als Bankleiterin setzte sie sich für ihre Kundschaft ein. Fast vierzig Jahre arbeitete sie für ihre kleine Bankfiliale, angefangen 1980 als Lernende und ab 2001 als Chefin.
61 Wissenschaftliche Adjunktin
Helene Gabriel
1917–2009
«Für die vollständige Integrierung der berufstätigen Frau in die Gesellschaft […] ist eine vermehrte Solidarität […] sowohl der Frauen unter sich als auch zwischen den Männern und Frauen […] nötig.»
«Fräulein Fürsprecher Gabriel» – so wurde die damals 59-jährige wissenschaftliche Adjunktin des Eidgenössischen Gesundheitsamtes in einem Zeitungsartikel vorgestellt. Sie hatte 1943 ihr Jus-Studium abgeschlossen, danach eine eigene Anwaltspraxis geführt und die Frauenabteilung des Berner Arbeitsamtes geleitet. Als Adjunktin war sie zuständig für die Giftgesetzgebung, das Arzneimittelwesen und «Frauenbelange». Sie setzte sich für Frauen im Beruf ein und beantwortete beim «Bund Schweizerischer Frauenvereine» Rechts- und Versicherungsfragen.
Gosteli-Stiftung, Porträtfotografie Helene Gabriel, AGoF, Biographische Notizen 2261, Foto: Hans Schlegel.
62 Lehrerin, Journalistin
Gertrud Egger
1902–1947
«Für die Frau liegt der Sinn des Lebens in der Liebe, Liebe im weitesten Begriff. Damit verteidigt sie ihre Heimat. Liebe ist Stauffacherart.»
Die ausgebildete Lehrerin wuchs in Burgdorf auf. Zeitweise arbeitete sie als «Soldatenmutter» im Eidgenössischen Militärsanatorium für Tuberkuloseerkrankte. In den 1930er Jahren schrieb sie Artikel zu Zeitfragen, christlichem Glauben, Kultur und zu den Aufgaben der «Schweizerfrau» – ganz im Sinne der Geistigen Landesverteidigung.
Burgerarchiv Burgdorf, Foto Bech 300244
63 Stadtführerin
Marianne Gertsch-Schoch
*1956
«Jeder Mensch hat eine helle und eine dunkle Seite, genau wie Burgdorfs Wappen, das – was für ein Glück! – eingerahmt wird vom goldenen Humor.»
Auf ihren Burgdorfer Stadtführungen unterhält sie mit erhellenden wie verstörenden Fakten, mit Anekdoten, Singsang, Degustation – und Humor. Als Grossmutter kümmert sie sich um ihre vier Enkel und einen Flüchtlingsjungen. Nach einer schweren Krankheit machte sie sich selbständig. Am Stadtfest, der «Solätte», vertrat sie 1991 als junge Kindergärtnerin eine erkrankte Kollegin und führte die Klasse im weissen Overall an. Hosen – was für ein Fauxpas!
64 Malerin, Lehrerin
Eva Haas-Lehmann
1933–1998
Nach einer Ausbildung an der Schule für Gestaltung Biel und zwei Kunststipendien widmete sie sich erst der experimentellen Fotografie und dann Radierungen. Sie arbeitete als Lehrerin in Heimiswil. In Burgdorf hatte sie ihr Atelier und stellte 1973 in der Galerie Bertram zum ersten Mal aus. 1982 begann sie mit grossflächiger Malerei, inspiriert von einem Aufenthalt in Ägypten. Nach ihrer Pensionierung lebte sie in Italien.
Burgdorfer Jahrbuch, 1999, S. 213.
65 Malerin, Zeichnerin, Lyrikerin
Mily Hartmann-Dür (Mily Dür)
1921–2016
«Aber diese Ekstase, die habe ich schon erlebt, mit Farben und Formen. Und dazu noch gute Musik. […] – und dann schaute man auf die Uhr und merkte: hoi, ich muss in die Küche.»
Ihre Bilder leben von Gegensätzen, die sich wechselseitig steigern und eine Ganzheit zum Ausdruck bringen – besonders oft auch im Symbol des Runden. Die gebürtige Burgdorferin studierte an der Kunstgewerbeschule und machte mit ihrem Mann viele Reisen. Ihre Gemälde waren in zahlreichen Ausstellungen zu sehen, unter anderem an der zweiten SAFFA, der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit 1958. Sie fühlte sich der Natur verbunden, war Vegetarierin und unterstützte die Umweltbewegung.
66 Malerin, Lyrikerin
Doris Horisberger-Flück (Doris Flück)
*1937
«Stillstand wäre für mich der Untergang, ich muss immer weitersuchen und finden.»
Erst mit 35 begann sie nebst ihren Pflichten als Mutter und Hausfrau mit dem Zeichnen und Schreiben. In Düsseldorf kam sie mit der japanischen Lyrik in Kontakt. Sie lernte Japanisch und reiste ins Land. Sie veröffentlichte mehrere Lyrikbände. Ihre Bilder zeigte sie an verschiedenen Ausstellungen und in ihrem Atelier in Burgdorf.
67 Gewerkschafterin
Elisabeth Jacchini-Mühlemann
*1951
«Sag nie, das kann ich nicht.»
Stadträtin, Frauenrechtlerin, Gewerkschafterin, Wohnbaugenossenschafts-Mitgründerin: Immer bekämpfte sie Ungerechtigkeiten. Als Burgdorfer Stadträtin und Stadtratspräsidentin riss sie Projekte an, zum Beispiel im Jahr 2000 den Lichterzug gegen Rechtsextremismus. Im Berufsverband der Pflegefachpersonen organisierte sie 2001 einen kantonalen Streik mit und beteiligte sich an den Verhandlungen des bestehenden Gesamtarbeitsvertrags.
68 CEO
Eva Jaisli
*1958
«Diversität fördert Wertschöpfung und Innovation. Für nachhaltige Lösungen in Wirtschaft und Gesellschaft brauchen wir von beidem mehr.»
Sie führt das Familienunternehmen PB Swiss Tools, das Werkzeuge und medizinische Instrumente produziert. In ihrer Firma sorgt sie dafür, dass alle Angestellten gleiche Chancen bekommen. Dafür setzt sie sich auch in Wirtschaftsverbänden und Verwaltungsräten ein. Für ihr Engagement in Unternehmen wie im Gemeinwesen erhielt sie den Ehrendoktortitel der Universität Bern. Die Stadt Burgdorf ehrte sie für ihr Engagement für das Spital und die Zukunft der medizinischen Versorgung im Emmental.
69 Fristenlösung-Vorkämpferin
Anne-Marie Rey-Kühni
1937–2016
«Solange Frauen nicht frei über die Mutterschaft entscheiden können, so lange bleibt die Gleichberechtigung der Geschlechter ein Traum.»
Die bekannteste Kämpferin für den straffreien Schwangerschaftsabbruch in der Schweiz setzte sich früh für eine Fristenlösung ein. Sie selbst musste eine Schwangerschaft abbrechen. Dabei half ihr der Vater, der als einer der wenigen Ärzte in Bern Abreibungen vornahm. Das Entsetzen, nicht über den eigenen Körper entscheiden zu können, machte sie zur Aktivistin. Ab 1971 kämpfte sie für die Fristenlösung. Sie engagierte sich auch für die Umwelt, in der Energiepolitik und für Frauenrechte. Für die SP politisierte sie im Berner Kantonsparlament.
Schweizerisches Sozialarchiv F 5030-Fa-0132
«Die Erzengelmacherin. Das 30-jährige Ringen um die Fristenlösung» – Anne-Marie Rey, 2007
Das Buch beschreibt den Kampf um die Fristenregelung. Reys persönliche Erlebnisse sind eingebettet in Recherchen zur Geschichte des Schwangerschaftsabbruchs.
70 Schülerin
Christine Kauz-Wüthrich
*1970
«Mädchen sollen aus Überzeugung mit Traditionen brechen.»
Schon als 6. Klässlerin kleidete sie sich, wie es ihr gefiel. Die selbstgenähten seidenen Pluderhosen aus den Stoffresten von Mutters Hochzeitskleid mochte sie und sie zog sie 1982 für den Nachmittagsumzug des Stadtfestes «Solätte» an. Die Schulfreundinnen staunten, der Lehrer war nicht erfreut, denn Mädchen hatten an den letzten 250 «Solätten» immer ein Kleid getragen.
71 Erste Leiterin Polizeiwesen
Rosmarie (Romy) Kieliger-Jutzi
*1951
«Sich als Frau in einer Männerdomäne behaupten – das hat mich fasziniert.»
Als erste Frau im Kanton Bern arbeitete sie 1991 als Polizeisekretär – wie es damals hiess. Die Arbeit war eine Herausforderung für die ehemalige Direktionssekretärin beim Bundesamt für Polizeiwesen, aber eine, die sie reizte und an der sie wachsen konnte. Nach einer Reorganisation der Stadtverwaltung arbeitete sie als Leiterin der Einwohner- und Sicherheitsdirektion von Burgdorf.
72 Vereinspräsidentin
Elisabeth Knutti-Hofer
*1958
«Engagiert zu sein, ist von innen heraus das Gefühl zu haben, ‹me wott› und man ist privilegiert und kann.»
Es ist ihr ein Anliegen, die Freiwilligenarbeit positiv zu besetzen, als Möglichkeit der Vernetzung, des direkten und unbürokratischen Handelns. Obwohl ihr Vater gegen das Frauenstimmrecht war, durfte sie einen Beruf lernen. Sie wurde Lehrerin. Als Mutter arbeitete sie weiter, später war sie in der Erwachsenenbildung und in Integrationsklassen tätig. Ihre Vereinslaufbahn begann im Turnverein Satus Burgdorf, wo sie als erste Frau das Präsidium übernahm. Beim Gemeinnützigen Frauenverein Burgdorf amtet sie seit 2012 als Präsidentin.
73 Vereins- und Clubpräsidentin
Trudy Köhli-Borter
*1931
«Wenn man A sagt, muss man auch B sagen und das wirklich wie Geschäftsfrauen an die Hand nehmen. Manchmal muss man auch einfach die rosarote Brille abnehmen.»
Als Präsidentin des Gemeinnützigen Frauenvereins engagierte sie sich über Jahre für Burgdorf. 1977 nahm sie der Soroptimist International Club Burgdorf auf, der «Hausfrau» als Beruf anerkannte. In diesem Serviceclub für Frauen vertrat sie NGOs bei der UNO in Genf und war später Unionspräsidentin. Unter anderem führte sie das Projekt «Freundschaft ohne Grenzen» nach Osteuropa, wo sie lokale Clubs im Aufbau von sozialen Projekten begleitete.
Foto: Andrea Flückiger
74 Lokalhistorikerin
Barbara Kummer-Behrens
*1942
«Wer seine Heimat kennt, der liebt sie.»
Geboren ist sie in Hannover, ihre Kindheit verbrachte sie in Argentinien. Als die junge Frau für ein Auslandjahr in die Schweiz kam, verliebte sie sich in Utzenstorf, in die Literatur von Gotthelf und in einen Mann. Sie blieb im Emmental, führte einen Bauernhaushalt und lernte Berndeutsch verstehen. Die Biografie Gotthelfs, der als Student ein Jahr in Norddeutschland verbracht hatte, interessierte sie besonders – und so wurde sie mit der Zeit zur Dorfchronistin von Utzenstorf.
Foto: Beat Mathys
75 Mitgründerin Firma Lenco
Marie Laeng-Stucki
1905–1974
«Wenn man will, dann kann man alles schaffen, man muss halt nur wollen.»
Mit ihrem Mann gründete sie die Firma Lenco und trug massgeblich zu deren Erfolg bei. Das Signauer Mädchen wurde früh Vollwaise und wuchs deshalb als Verdingkind auf. Mit 24 Jahren heiratete sie Fritz Laeng und arbeitete in seinem Radiogeschäft in Burgdorf mit. Zusammen gründeten sie 1946 die Firma Lenco, die für ihre Plattenspieler bekannt wurde. Italien wurde zu ihrer zweiten Heimat. Sie stiftete in der Nähe von Ancona eine Schule, das «Istituto di instruzione superiore M Laeng», die heute noch Fachkräfte für die Industrie ausbildet.
Burgdorfer Jahrbuch, 1976, S. 18.
76 Sozialarbeiterin, Autorin
Annemarie Lanker-Burkhalter
*1944
«Steuern zahlen, aber kein Stimm- und Wahlrecht – das empörte, ja irritierte und ärgerte mich sehr. Dass meine Mutter das Frauenstimmrecht ablehnte, machte das Ganze innerhalb der Familie explosiv.»
Die alleinerziehende Mutter holte eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin nach, leitete eine Drogenberatungsstelle sowie den Sozialdienst der Stadt Bern. Aufgewachsen im Bigenthal, wurde sie viel zu früh schwanger und heiratete. Es folgten drei weitere Kinder. Die Ehe zerbrach. Das ungerechte Eherecht und die fehlende Mitsprache politisierten sie. Fortan setzte sie sich für das Frauenstimmrecht ein sowie für eine bessere Ausbildung der Frauen. Seit sie pensioniert ist, schreibt sie. 2021 gewann sie den Essay-Wettbewerb der Zeitung «Der Bund».
77 Nationalratspräsidentin
Christa Markwalder
*1975
«Politische Mitgestaltung bedeutet für mich, die Weichen für die Zukunft so zu stellen, dass auch die junge Generation faire Chancen für ihre eigene Lebensgestaltung hat.»
2015 wurde sie zur Nationalratspräsidentin gewählt und bekleidete damit als erste Burgdorferin das Amt als höchste Schweizerin. Von 1999 bis zu ihrer Wahl in den Grossen Rat 2002 war sie jungfreisinnige Stadträtin in Burgdorf. 2003 wurde sie für die FDP in den Nationalrat gewählt und wirkt seither in der Aussenpolitischen Kommission und in der Kommission für Rechtsfragen. Zudem engagiert sie sich für eine nachhaltige Altersvorsorge und für erneuerbare Energien.
78 Sozialarbeiterin, Politikerin
Christine Meier
*1956
«Ich mag Menschen und Natur in ihrer Vielfalt.»
Sie wollte sich in der Entwicklungsarbeit engagieren und leistete in den Urwäldern Perus ein mehrjähriges Volontariat. Nach der Geburt ihrer Kinder kehrte sie in die Schweiz zurück und leitete unter anderem das Frauenhaus Bern. Als Managerin hatte sie stets Frauenanliegen im Blick. Sie trat der Grünen Partei bei, war Präsidentin der Sektion Burgdorf und wurde Stadtratspräsidentin von Burgdorf. Im FrauenNetz Burgdorf sorgt sie dafür, dass Frauenanliegen Gehör finden.
79 Weltenbummlerin, Sammlerin
Marie Marta Schafroth
1874–1922
«Dadurch erfüllte ich mir in reifen Jahren einen Kindertraum. Leibhaftige Menschenfresser auf ihren Palmeninseln im südlichen stillen Weltmeer zu besuchen.»
Die taube, wissbegierige Frau reiste um die Welt und brachte Andenken nach Hause, die heute einen grossen Teil der ethnografischen Sammlung des Museums Schloss Burgdorf ausmachen. Als Kind verlor sie bei einer Scharlacherkrankung das Gehör. Sie lernte Lippenlesen, das sie in vier Sprachen beherrschte. Sie engagierte sich für die Förderung des Lippenlesens im Berner «Hephata-Verein» und half, dessen Monatsblatt zu finanzieren. Mit dem Erbe ihres Vaters erfüllte sie sich ihren lang gehegten Traum: 1910 reiste sie in die Südsee.
«Südsee-Welten vor dem Grossen Krieg» – Marie M. Schafroth, 1916
Marie Schafroth beschreibt ihre Reise durchs heutige Neuguinea. Ihre Schilderungen sind durchzogen von rassistischen Bemerkungen («Kannibalen», «Menschenfresser») und einem kolonialen Blick auf die dortigen Menschen, die sie in einer Mischung aus Bewunderung und Missbilligung beschreibt.
80 Schnapsbrennerin
Vreni Mosimann-Schärer
1936–2017
«Ein Leben lang habe ich gearbeitet und kann mir nicht so recht vorstellen, wie das mit dem Aufhören gehen soll.»
In der Welt der Schnapsbrennerei war sie eine von wenigen Frauen – aber ihre Schnäpse wurden schweizweit bekannt. Nach dem frühen Tod ihres Ehemannes führte sie das gemeinsame Handwerk weiter und wurde als «Brönner-Vreni» bekannt. Zunächst etwas unsicher, ob sie der Aufgabe gewachsen sei, betrieb sie das Störbrennen schon bald mit Herzblut – die Schnapsbrennerei wurde zu ihrem Lebenswerk. Mit Regenmantel und grossem Hut stand sie bei jedem Wetter draussen, brannte Schnäpse, experimentierte mit Erdbeeren, Eicheln und Kräutern.
81 Offizier, Netzwerkerin
Esther Niffenegger-Herzog
*1981
«Ich liebe mein Leben als Mutter und Managerin.»
Mitglied der Geschäftsleitung, Offizier, Mutter – bei ihr passt das zusammen. Sie beschreitet neue Wege, während ihr Mann als Hausmann arbeitet. Sie absolvierte als erste Schweizerin die Offiziersschule in den Kampftruppen. Dies war eine Lebensschule! Es reichte aber trotz Wirtschaftsstudium nicht, um beruflich weiterzukommen. Sie begann sich zu vernetzen. Heute ist sie bei der Post verantwortlich für 8’000 Angestellte und gibt ihre Erfahrungen als Mentorin weiter. Besonders leidenschaftlich setzt sie sich für die Vereinbarung von Familie und Karriere ein.
82 Erfolgreichste OL-Läuferin
Simone Niggli-Luder
*1978
«Ich musste lernen, Familie und Sport zu trennen, jeweils den Fokus voll auf das vor mir Liegende zu setzen – sonst macht man am Ende beides nicht richtig.»
Die erfolgreichste Orientierungsläuferin ihrer Zeit verfiel diesem Sport schon als Kind. Mit Burgdorf verbindet sie noch heute das Gefühl des Heimkommens. Nach abgeschlossenem Biologiestudium wagte sie es 2003 als Erste, professionelle Orientierungsläuferin zu werden. Sie ebnete dem OL den Zugang zum Spitzensport. Der Erfolg gab ihr Recht: Bis zu ihrem Rücktritt 2013 holte sie 23 Weltmeistertitel und wurde dreimal zur Schweizer Sportlerin des Jahres gewählt.
83 Hausmutter, Geldgeberin
Anna Pestalozzi-Schulthess
1738–1815
«Ich wollte im Kleinen mit unserm kleinen Vermögen uns und unser Kind so mit Ehren durch die Welt bringen.»
Ohne ihren finanziellen, organisatorischen und emotionalen Beistand wäre aus Pestalozzi kaum ein berühmter Pädagoge geworden. Gegen den Widerstand ihrer Eltern heiratete sie 1769 Johann Heinrich Pestalozzi nach langem, verliebtem Briefwechsel. Sie kümmerte sich fortan um das Hauswesen und die Finanzen und unterrichtete die Mädchen in den Instituten in Hausarbeiten. Mit ihrem Familienvermögen finanzierten die Eheleute Projekte wie das Waisenhaus oder das Erziehungsinstitut im Schloss Burgdorf.
Aargauer Kunsthaus Aarau, Foto: Jörg Müller
84 Präsidentin «Dorfläbe»
Verena Ramseier-Flückiger
*1955
«Es wird gelebt in Grünenmatt. Was wir schaffen, ist nur im Team möglich. Gut – gemeinnützig – gesellig.»
Die Präsidentin des Vereins «Dorfläbe» von Grünenmatt engagiert sich für die Gemeinde Lützelflüh und trägt damit zu einer lebendigen Dorfgemeinschaft bei. Dank ihrer Initiative wurde der Gemeinnützige Frauenverein 2003 nicht aufgelöst, sondern umbenennt zu «Dorfläbe», damit sich auch Männer oder junge Menschen im Verein engagieren. Mit ihrem Ehemann betreibt sie einen Gasthof, der dem Untergang geweiht war. Sie begannen, Bier zu brauen und planen, Minihäuser zu bauen.
85 Unternehmerin, Sportlerin
Beatrix (Trix) Rechner
*1951
«Der Sport war für mich eine Lebensschule, ohne die ich nicht so gut gelernt hätte zu kämpfen, ohne die ich nicht mit zwanzig ein Geschäft hätte übernehmen können.»
In vielem war sie Vorreiterin – im Sport, in der Politik und in Vereinen. Sie sprang als erste Frau im Hochsprung mit Flop (mit dem nach ihr benannten Rechner Flight), womit ihr die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1972 gelang. Später war sie Stadt- und Gemeinderätin von Burgdorf, zuerst für die SVP, dann für die BDP. Als erste Frau präsidierte sie die Burgergemeinde. Die Geschäftsfrau war die erste Frau im KMU-Vorstand Burgdorf und gewann den KMU-Award. Auch im Vorstand des Jäger-Vereins und in der kantonalen Prüfungskommission für Jäger:innen war sie die erste Frau.
86 Radrennfahrerin, Ärztin
Marlen Reusser
*1991
«Es muss normal werden, dass AUCH Frauen Heldenrollen bekleiden.»
Erst war sie Ärztin, jetzt ist sie Profi-Radrennfahrerin. Politisch engagiert sie sich für Nachhaltigkeit und Ökologie. Sie war Präsidentin der Jungen Grünen des Kantons Bern und im Vorstand der Grünen Emmental. Nach ihrem Medizinstudium startete sie ihre Radkarriere. Sie wurde Europameisterin und Vize-Weltmeisterin im Einzdelzeitfahren, 2020 holte sie Silber im Zeitfahren an den olympischen Spielen in Tokio. Sie setzt sich für die Anerkennung des Frauenradrennsports ein. Sie wurde 2021 zur Berner Sportlerin des Jahres gewählt.
87 Flüchtlingsmutter, Journalistin
Margrit Romang-Beck
1912–1988
«I mues wäg, bruche Zit, um mini Gedanke z’ordne. Im Älpli ha ni mi Rueh u cha schrybe.»
Sie setzte sich für Flüchtlinge ein und schrieb mit spitzer Feder ihre kritische Kolumne «Schache-Rösi» im Burgdorfer Tagblatt. Die Journalistin berichtete über Lokales und Kultur. Zum 250. Jubiläum des Stadtfestes «Solätte» veröffentlichte sie ein Buch. Ihr Engagement war vielseitig: Sie gab Kurse für Pensionierte oder unterrichtete Deutsch für Fremdsprachige. 1956, als ungarische Geflohene in der Schweiz Asyl suchten, engagierte sie sich im Burgdorfer Flüchtlingskomitee.
88 Schriftstellerin
Henriette Rüetschi-Bitzius
1834–1890
«Ich las mit eigentlichem Heisshunger […]. Meine Mutter bekämpfte diese Lesegier mit allen möglichen Mitteln, allein es war umsonst.»
Unter dem Pseudonym «Marie Walden» wurde sie zur bekannten Schriftstellerin, und folgte darin ihrem Vater Jeremias Gotthelf. Als Frau, die zu sechs Kindern, Ehemann und Haushalt schauen musste, konnte sie erst als Witwe mit Schreiben beginnen. Sie veröffentlichte ab 1877 zahlreiche Novellen und Erzählungen aus dem bäuerlichen Alltag. Ihre weiblichen Hauptfiguren geben Einblick in die Lebensumstände von Frauen im 19. Jahrhundert. Die Biografie über ihre Mutter zeigt, wie diese dazu beitrug, dass Gotthelf sein Werk veröffentlichen konnte.
Burgerbibliothek Bern, Porträtdok. 8560, Foto: Gerhard Howald
89 Arbeiterin, Christin, Sozialistin
Hanna Schilt-Urech
1917–2011
«Wir sind aufgerufen, Kämpferinnen und nicht Zuschauerinnen der Geschichte zu sein. Wir haben den Auftrag, die Mitverantwortung, die Verhältnisse dieser Welt umzugestalten und sie gerechter zu machen.»
Geboren in armen Verhältnissen, wurde sie Dienstmagd. Als junge Mutter arbeitete sie in der Fabrik, wusch und putzte, um die Familie ernähren zu können. Früh morgens vor der Arbeit las sie so viel wie möglich und holte an Abendkursen Bildung nach. Sie kämpfte mit ihrem Mann Hans für die Rechte der Arbeiterschaft. 1972 nahm sie das erste Mal an einer Demonstration teil, viele weitere folgten. Später hielt sie Vorträge und Predigten im Emmental. In Lesezirkeln versuchte sie, Christentum und Sozialismus zu verbinden.
Foto: Ueli Schilt
«Es wär’ noch Zeit, etwas zu wagen. Hanni Schilt erzählt ihr Leben» – nach Tonband-Protokollen aufgezeichnet von Judith Giovanelli-Blocher, 1994
In ihren Lebenserinnerungen schildert Hanna Schilt, wie es war, als Arbeiterin zu leben, von den Schwierigkeiten, das Christentum und den Sozialismus in Einklang zu bringen und wie sie an ihre erste Demo ging.
90 Politikerin, Sozialarbeiterin
Lucie Schletti-Stössel
1915–2014
«Da die Frauen um 1970 noch kein Stimmrecht hatten und demzufolge ‹politisch ungebildet› waren, wurden Bildungskurse zu Wohnstrassen und Altersproblemen bis hin zur Fristenlösung durchgeführt.»
Sie gründete 1958 die freisinnige Frauengruppe in Burgdorf mit, weil die FDP keine Frauen aufnehmen wollte. Sie engagierte sich als Präsidentin der kantonalen freisinnigen Frauengruppe und setzte sich für das Stimm- und Wahlrecht ein. 1970 gründete sie die Frauenzentrale Burgdorf, die betagte Menschen zu Hause unterstützte. 1971 war sie zusammen mit Meli Saurer-Waldvogel erste Burgdorfer Stadträtin für die FDP. Sie blieb dreizehn Jahre im Amt und setzte sich für Frauenrechte sowie für schulische und soziale Anliegen ein.
Burgdorfer Jahrbuch, 2015, S 203.
91 Wirtin
Sophie Schürch-Grossenbacher
1840–1920
Wie schon ihre Schwiegermutter führte sie nach dem Tod ihres Mannes und bis zur Volljährigkeit des Sohnes das Gut zum Wilden Mann in Wynigen. Dazu gehörten ein grosser Landwirtschaftsbetrieb, ein Gasthof, eine Metzgerei und eine Bäckerei. Sie veranlasste den Bau eines Schlachthauses, eines Fleisch-Verkaufsladens und eines Kegelhauses. Dazu kam 1905 ein heute denkmalgeschützter Saalanbau für Feste und Veranstaltungen.
92 Höchste Schwingerin
Ursula Ruch
*1976
«Jede Gegnerin hat einen Rücken – auch die Stärksten, da lässt sich das Sägemehl nach gewonnenem Gang wunderbar abwischen!»
Die erfolgreiche Schwingerin präsidierte als erste und bisher einzige Frau aus dem Kanton Bern den Eidgenössischen Frauenschwingverband. Diese Arbeit war herausfordernd, da sie den Umgang mit Medien lernen musste. Nach einer 12-jährigen Karriere im Sägemehl mit sieben Kränzen, einem jungen Sieger-Muni sowie zahlreichen Glocken trat sie 2014 zurück. Heute arbeitet sie in der Alp- und Landwirtschaft und pflegt die Freundschaften rund um den Schwingsport.
93 «Hexe»
Margret Schär
† 1609/10
Sie stammte aus Niederösch. Als Hexe beschuldigt, kam sie nach Burgdorf. Unter Folter zwang ihr der Richter ein Geständnis ab. Der Henker führte die Verurteilte über den Armsünderweg zur Richtstätte. Vor vielen Schaulustigen verbrannte er sie bei lebendigem Leib auf dem Scheiterhaufen. Schultheiss, Ratsherren, Burger und Geistliche gingen nachher in die Gaststätte Krone essen – auf Staatskosten. So wie ihr ging es damals vielen in der Schweiz: Rund 7’000 Personen wurden der Hexerei bezichtigt und hingerichtet – die meisten waren Frauen.
94 Wirtin
Maria Schürch-Aeberhardt
1794–1865
Früh verlor sie ihren Mann und führte den Gutsbetrieb allein. Sie verhalf Wynigen 1835 zu einer Sekundarschule und riet dazu, die Schule in der Pintenwirtschaft unterzubringen. Der befreundete Dichter Gotthelf nannte sie die «Königin von Saba, die aus Wirtshäusern Schulhäuser gemacht» hat. Auch die Frauen der nachfolgenden Generationen Schürch sorgten als Wirtinnen dafür, dass das Gut zum Wilden Mann weiter bestand.
95 Ärztin
Christa Spycher-Braendli
*1939
«Grosses Interesse an fremden Menschen – Begegnung auf Augenhöhe – Austausch und Vertrauen schaffen.»
Die Burgdorferin lebte mit ihrer Familie 16 Jahre in Lateinamerika. Dort arbeitete die Ärztin unter schwierigen sozialen und politischen Bedingungen. 1988 kehrte sie in die Schweiz zurück und führte die Familienplanungsstelle der Uni-Frauenklinik Bern. Zudem arbeitete sie in der Sprechstunde für Migrantinnen und Migranten der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern. Sie engagierte sich als Präsidentin des Vereins «Sexuelle Gesundheit Schweiz».
Foto: Peter Spycher
96 Rotkreuzfahrerin
Marion van Laer-Uhlmann
1905–2004
«Ich hoffe, mit meinen Schriften die Neugierde und das Interesse der heutigen Generation am Leben ihrer Vorfahren zu wecken.»
1938 wollte sie Dienst für das Vaterland leisten und meldete sich als Rotkreuzfahrerin. Sie transportierte kranke und verunfallte Soldaten und holte Kinder aus dem besetzten Frankreich. Sie organisierte und leitete die Kanzlei für kranke Internierte. Nach dem Krieg beteiligte sie sich an Auslandeinsätzen für die Kinderhilfe in Polen und Ungarn und bot Heimatvertriebenen Unterkunft. Während des Zweiten Weltkriegs führte sie ein Tagebuch, das sie später als Buch veröffentlichte.
«Weisses Kreuz und Rotes Kreuz. Als Rotkreuzfahrerin im Aktivdienst 1938–49» – Marion van Laer, 2002
In Tagebucheinträgen erinnert sich Marion van Laer an ihre Zeit als Rotkreuzfahrerin im Zweiten Weltkrieg.
97 Schauspielerin
Birgit Steinegger
*1948
«In jedem Raum sollte die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau Platz finden. Siicher!»
Mit ihrer grauen Lockenperücke und dem gepunkteten Kleid hatte sie als «Frau Iseli» in der Comedy-Sendung «Total Birgit» des Schweizer Fernsehens Kultstatus. Ihre Schulzeit verbrachte sie in Burgdorf, bevor sie für die Ausbildung zur Schauspielerin nach Bern und Paris zog. Sie trat im Theater sowie im Radio und Fernsehen auf. Bekanntheit erlangte sie mit ihren Parodien. Auszeichnungen wie der «Prix Walo» oder der «Salzburger Stier» würdigen ihr Lebenswerk.
Foto: Jorma Müller
98 Geschäftsleiterin
Sara Stalder
*1966
«Machtgefälle und Wissensungleichgewicht schaffen unfaire Voraussetzungen im Konsumalltag. Meine Vision ist, dass alle Konsument:innen von allen Konzernen und Anbietern jederzeit gerecht behandelt werden.»
Die Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz will mit ihrer Beratungsplattform Konsument:innen ermächtigen, sich selbst zu helfen. Die Emmentalerin arbeitete zuerst als Primarlehrerin und wurde später Schulleiterin. Mit vierzig Jahren orientierte sie sich beruflich neu und leitet seither die Geschäftsstelle des Konsumentenschutzes in Bern.
99 Logopädin, Pfarrerin
Annemarie Studer
*1945
«Alle diese grossen und kleinen und kleinsten Geschichten mit Menschen, die zu uns gekommen sind, um Schutz zu finden, die stehen im Mittelpunkt.»
Sie arbeitete als erste Logopädin in Burgdorf. Sprache war ihr immer wichtig. Die Frage nach der Hoffnung liess sie Theologie studieren. Im Theologischen Seminar Reutlingen politisierte sie sich. Vom Vikariat an begleitete sie Asylsuchende. Heute engagiert sie sich als pensionierte Pfarrerin im Asylwesen (Deutschnachhilfe). Sie arbeitet unter anderem beim Interkulturellen Frauentreff. Sie hofft immer noch, dass die Kirchen ihre Stimmen erheben zum Schutz von Geflüchteten.
100 Die letzte Herzogin
Clementia von Auxonne
um 1190–nach 1235
Die Grafentochter wurde durch ihre Heirat mit Berchtold V. Zähringerherzogin. Über ihr Leben ist nicht viel bekannt. Damit teilt sie das Schicksal vieler Herrschergattinnen. Berchtold V. starb 1218 ohne Nachkommen; Schloss Burgdorf ging an die Witwe. Aber sie konnte das Erbe nicht antreten, weil ihr Neffe sie gefangen hielt, um den Besitz an sich zu bringen. So fiel Burgdorf an die Kyburger. Sie gab die Niederschrift einer Margarethenlegende in Auftrag. Das Bild entstand 250 Jahre nach ihrem Tod.
Burgerbibliothek Bern, Mss.h.h.l.16, S. 67 (www.e-codices.ch)
101 Migrationsfachfrau
Anette Vogt
*1978
«Im Kleinen können wir uns alle für ein friedliches Miteinander einsetzen. Um Strukturen zu ändern, führt kein Weg an der Politik vorbei.»
Seit 2014 engagiert sie sich für Geflüchtete. Sie organisiert Freiwillige und ist Mitgründerin und Präsidentin des Vereins «Burgdorf Integriert». Die zunächst freiwillige Tätigkeit machte sie zum Beruf und arbeitet nun als Migrationsfachfrau bei der reformierten Kirche. Erschüttert von der Migrationspolitik liess sie sich als Stadträtin wählen. Sie setzt sich ein für ein starkes Gemeinwesen, in dem alle voneinander profitieren und ihren Horizont erweitern können.
102 Erste Burgerrätin
Doris von Ballmoos-Pauli
* 1933
«Leben und leben lassen.»
Als erste Frau im Kanton Bern zog sie 1970 in den Burgerrat. Wie überall war dieser auch in Burgdorf eine Männerbastion. Dennoch konnte sie sich durchsetzen. Vielleicht dank ihres Frauennetzwerkes: Ab 1965 war sie Gründungspräsidentin des Soroptimist International Club Burgdorf, einem Serviceclub für Frauen. Sie war Buchhalterin und arbeitete in der elterlichen Firma. Als Mutter von drei Kindern kannte sie schon 1965 das Homeoffice.
103 Profi-Fussballerin
Lia Wälti
*1993
«Der Wettkampfgedanke war schon immer in mir, ich wollte schon als Kind immer bei allem gewinnen, was ich tat. Das ist heute noch immer genauso.»
Als Captain des Schweizer Nationalteams nimmt die Profi-Fussballerin an der EM 2022 in England teil. Ihr Team ist für sie wie eine Familie. Die Sportlerin verliess Langnau schon früh: Mit zwanzig wechselte sie von den Young Boys Bern nach Potsdam in die deutsche Frauen-Bundesliga. Heute spielt sie bei den Arsenal Women in London. Nebenbei studiert sie Betriebsökonomie und Sportmanagement.
104 Erste Studentin am Technikum
Emmy Wedlake-Haldimann
1890–1988
1910 studierte sie als erste Frau am Technikum in Burgdorf – reichlich spät im Vergleich zu anderen Hochschulen! Der damalige Direktor erlaubte Frauen das Studium nur unter Vorbehalt, da «die Eignung des weiblichen Geschlechts für den technischen Beruf» nicht abschliessend beurteilt werden könne. Doch sie brach ihr Studium im letzten Semester ab und heiratete. 1919 schloss dann Clara Balz als erste Frau ihr Studium ab. Bis 1930 schlossen nur zwei weitere Frauen ihr Studium ab.
Burgerarchiv Burgdorf, Foto Bech 300245 2
105 Hebamme
Marie Zürcher
1927–2019
«Etwas Schöneres und Grösseres als eine Geburt gibt es nicht. … Ein Wunder.»
Sie war eine der ersten Frauen in Wynigen, die einen Beruf lernte. 40 Jahre arbeitete sie als Hebamme. Zu ihren ersten Geburten fuhr sie noch mit dem Velo; im Gepäck Nachthafen, Hebammenkoffer und Gummimatte. Im Spital Burgdorf war sie 20 Jahre lang leitende Hebamme. Sie hatte so vielen tausend Kindern auf die Welt geholfen, dass die ganze Region sie kannte. Die Iangen Gänge des Spitals legte sie auf dem Trottinett zurück.
«Das volle Leben: Frauen über achtzig erzählen» – Susanna Schwager, 2007
Susanna Schwager lässt zwölf Frauen aus ihrem Leben erzählen. Marie Zürcher berichtet, wie sie Hebamme wurde oder fast geheiratet hätte und erzählt Geschichten vom Gebären und vom Sterben.
106 Künstlerin
Margrit Wenger-Bernhard
*1951
«Zeichnen und Malen, das tut mir einfach gut, ich versinke in den Farben, bin in dieser Welt ganz für mich.»
Schon immer waren das Zeichen und Malen ihre Leidenschaft. Sie stellte in verschiedenen Ausstellungen ihre Bilder aus zum Thema «Frauen, die lesen, sind gefährlich». In Bätterkinden aufgewachsen, arbeitete sie als Verwaltungsangestellte. Eigentlich wollte sie Dekorateurin werden, doch ihre Eltern waren dagegen. Sobald ihre Kinder erwachsen waren, begann sie, Landschaftsbilder zu malen. Bald schon schlichen sich Frauengestalten in ihre Bilder, die zunehmend wichtiger wurden.
107 Künstlerin, Autorin
TheresA Widmer
1957–2011
«Auf jedes Problem gibt es mindestens sieben Lösungen.»
Sie liess sich trotz ihrer Krankheit nicht daran hindern, ihr Leben in vollen Zügen zu leben: Mit 16 Jahren erkrankte sie an Polyarthritis. Bald war sie auf einen Rollstuhl und fremde Hilfe angewiesen – kaum ein Gelenk wurde nicht operiert. Dennoch war es ihr wichtig, so selbstständig und frei wie möglich zu leben. Sie bildete sich zur Malerin und Maltherapeutin aus und stellte ihre Bilder aus. Sie schrieb das Buch «Polyarthritis und Teeservice. Eine Erbschaft» und reiste mit ihrem Bruder in ferne Länder.
108 Bäuerin
Rosa Wüthrich-Scheidegger
1907–1995
«Hocket zueche u näht unscheniert, de wärdet dir gross u starch.»
Der Hof bedeutete viel Arbeit und finanzielle Sorgen. Die Bäuerin belasteten aber auch die Schwangerschaften – sie gebar zwölf Kinder. Trotzdem verlor sie nie ihren Schalk. Als der Ehemann zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in den Aktivdienst eingezogen wurde, wirtschaftete sie allein weiter. Später erhielt sie Unterstützung von zugeteilten ausländischen Soldaten. Das Paar nahm auch Pflegekinder auf, die sie wie eigene Kinder behandelten. Ihre Hilfsbereitschaft und ihre Gastfreundschaft waren weitherum bekannt.
109 Erste Stadtpräsidentin
Elisabeth Zäch
*1954
«Eine Vision vorlegen, dafür kämpfen, darüber debattieren, davon überzeugen und gemeinsam das Ziel erreichen: Dies fasziniert mich an der Politik.»
Sie war Journalistin bei Radio SRF und bei Printmedien, bevor sie Burgdorfs Buchhandlung am Kronenplatz übernahm. Ab diesem Zeitpunkt engagierte sie sich als SP-Frau in der Stadtpolitik, erst als Gemeinderätin, ab 2008 als Stadtpräsidentin. Ab 2010 sass sie zudem für die SP im Grossen Rat des Kantons Bern. Sie kämpfte für Burgdorf als attraktiven Bildungsstandort und fürs Emmental als Region mit Zukunft. Ihr Herzensprojekt war die Umnutzung von Schloss Burgdorf in eine Jugendherberge, ein Restaurant und ein Museum.
Foto: Jeroen Seyffer
110 Erste Autofahrerin
Anna Zbinden-Grossenbacher
1895–1990
«Ich weiss gar nicht, wieso die Menschen so Angst haben vor dem Tod, es ist so schön da.»
Im ersten Auto auf den Strassen Burgdorfs machte die 20-Jährige ihren Führerausweis – als erste Frau im Kanton Bern. Die Tochter des Burgdorfer Tierarztes Fritz Grossenbacher lernte Autofahren, weil sich ihr Vater dafür zu alt fühlte. Im Citroën fuhr sie ihn zu den Kunden und landete dabei auch hin und wieder in einem Miststock.
111 Erste Gemeinderätin
Berta Zeller-Friedli
1917–2007
«Ich scheute mich nicht, ab und zu den Mund aufzumachen.»
Schon in den 1940er Jahren war die Mutter von drei Kindern Mitglied der SP-Frauensektion und 1971 wurde sie als erste Frau in den Gemeinderat von Burgdorf gewählt. In diesem neunköpfigen Männergremium behauptete sie sich ohne jegliche parlamentarische Erfahrung. Wie viele Politikerinnen der ersten Generation war sie für Soziales zuständig. Sie bewirkte einiges, etwa die freie Arztwahl für weniger Bemittelte. Nach dem Rücktritt aus dem Gemeinderat engagierte sie sich in der städtischen Fürsorgekommission.